„Clubs for Change“: Bero-Frauen initiieren Kampagne gegen sexualisierte Gewalt
von Matthias Vogel
Es gibt sie, die positiven Begleiterscheinungen der Pandemie. Die Fußballerinnen des SV Blau Weiß Berolina Mitte 49 e.V. haben während des Lockdowns die Köpfe zusammengesteckt. Sinnvoll wollten sie die Pause überbrücken und das ist ihnen geglückt: Ihr Engagement gegen sexuelle Übergriffe im Frauenfußball schlägt meterhohe Wellen und am kommenden Sonntag, 16. Mai, haben alle Berliner*innen die Gelegenheit, ein paar Kilometer für einen mehr als guten Zweck mit zu surfen. Mit einem Lauf und einem Post.
Prominente Fälle von sexualisierter Gewalt werden natürlich an die große Litfaß-Säule geleimt. Ob allgemein oder aus dem Sport. Man denke nur an die Berichterstattung über ewig und unglaublich gepeinigte Weltklasse-Turnerinnen in den USA vor nicht allzu langer Zeit. Doch was ist mit dem Amateursport? Das haben sich Katharina Vom-Dahl (Titelbild vorne), Kapitänin der Berlinliga-Vertretung des Vereins, und ihr Trainer Oliver Thomaschewski (Titelbild rechts) gefragt. Daraus entstand die Idee, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten für mehr Sichtbarkeit zu sorgen, aus dem Tabuthema ein Thema zu machen. Herausgekommen ist die Kampagne „Clubs for Change“.

Schon Sprüche von Zuschauern wie „Na, Süße“ oder „Ich freue mich auf den Trikot-Tausch“ müssen endlich der Vergangenheit angehören, von nonverbalen Übergriffen, sexuellem Missbrauch oder sexueller Gewalt ganz zu schweigen. „Natürlich in allen gesellschaftlichen Bereichen“, sagt Vom-Dahl, „aber wir haben uns auf den Sport konzentriert, weil wir dort eben selbst aktiv sind.“ Um die 20 Frauen aus den drei Frauen-Teams des Clubs von der Kleinen Hamburger Straße sitzen deshalb regelmäßig in Projektgruppen an Tischen zusammen und und brüten über einem tragfähigen Präventions- und Interventionskonzept. Workshops für Trainer und Eltern, Selbstbehauptungsworkshops für Spielerinnen, Verankerung entsprechender Werte in der Vereinssatzung, Öffentlichkeitsarbeit. „Ganz wichtig ist uns die Ahndung“, erklärt Vom-Dahl. „Hin- anstatt wegsehen ist das eine, die Konsequenz das andere. Wenn etwas vorfällt, muss klare Kante gezeigt werden.“
(adsbygoogle = window.adsbygoogle || []).push({});
Definitiv keine Toleranz mehr am Bero also, und ginge es nach den Fußballerinnen aus Mitte, dann dürfte ihr Konzept nur zu gerne als Blaupause für alle Vereine herhalten, nicht nur für die aus Berlin. „Es ist unser Ziel, für die Thematik zu sensibilisieren und es würde uns wahnsinnig freuen, wenn wir möglichst viele Vereine motivieren könnten, es uns gleichzutun“, sagt Vom-Dahl. Und das Projekt hat gute Chancen auf Nachahmer. Die angesprochene Welle, die das Projekt schlägt, ist nämlich jetzt schon amtlich. Der Berliner Fußball-Verband ist aufgesprungen auf den hehren Zug aus dem Zentrum der Stadt, ebenso der der Landessportbund Berlin und der Sportartikelhersteller Adidas. „Das Projekt beginnt sich zu verselbstständigen. Es gibt bereits Anfragen aus Nordrhein-Westfalen. Sehr beeindruckend“, kommentiert Andreas Weiss, im Bero-Vorstand als Spartenchef für Frauen- und Juniorinnenfußball vertreten, das Engagement seiner Fußballerinnen. „Und es ist meines Wissens die erste Initiative seitens eines Vereins in Berlin, dem Verbände beitreten. Sonst ist es ja umgekehrt.“ Auch „Pike&Mauke“, ein Podcast über den Berliner Amateur-Fußball, hat Katharina Vom-Dahl und Alishya Tanoku zum Plausch gebeten, die Folge soll am heutigen Fraitag, 14. Mai, erscheinen.

Dass die Aktion die Frauenabteilung, die zu Beginn der jüngsten begonnenen Saison, einen Erdrutsch artigen Abgang von Spielerinnen der ersten Mannschaft verkraften musste, zusammenschweißt, notiert Weiss gerne, wenn auch nur am Rande. „Das ist in erster Linie eine herausragende und dringend nötige Aktion. Ich würde sagen, täglich hört, liest oder sieht im Fernsehen Fälle von sexualisierter Gewalt. Es ist doch nur logisch, dass es die auch im Amateursport gibt. Toll, dass sich die Mädels dem Thema gewidmet haben, auch ohne direkten Anlass. Dazu arbeiten Spielerinnen aller drei Teams zusammen. Das Projekt hat uns bislang gut durch die Corona-Krise getragen.“
Jeder kann helfen, also runter von der Couch!
„Clubs for Change“, das Motto gilt es nun rauszutragen, in den Bezirk, die Stadt, die Welt. Und am kommenden Sonntag, 16. Mai, können alle Berliner*innen Botschafter werden. 70 Mitglieder des Vereins werden unter Corona konformen Bedingungen durch Berlin laufen und alle anderen Bürger*innen sind eingeladen, ebenfalls ein Zeichen gegen sexualisierte Gewalt im Sport zu setzen – also in die Laufschuhe zu schlüpfen, ihren ortsunabhängigen Run per App zu tracken und unter dem Hashtag #clubsforchange sowie der Verlinkung der Instagram-Seite der Berofrauen zu posten. Jeder Eintrag hilft dabei, das Thema in mehr in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung zu rücken. Beros Läufer*innen werden nach insgesamt 100 Kilometer auf ihren Fußballplatz einkehren und ein Banner enthüllen.
Titelbild: Rebecca Kuhlow