von Matthias Vogel
Es war eine unglückliche 1:2-Niederlage, die der 1. FC Union Berlin im Topspiel der Regionalliga Nordost gegen den FC Viktoria einstecken musste. Zur Pause hätte der Sack für die Schützlinge von Juliane Guhr gut und gerne bereits zu sein können. War er aber nicht, torlos ging es deshalb nach 45 Minuten in die Kabinen. Den Rückstand glichen die Eisernen Ladies noch aus, doch die Himmelblauen hatten an diesem Tag in Sachen Effizienz die Nase vorn und markierten zwei Minuten vor Schluss durch Beslinda Shigjeqi den Siegtreffer.
Es ist höchst selten, dass Roman Rießler seinen Emotionen nach einem Spiel ein wenig Ausgang gewährt. Diesmal tat er es, ballte nach dem Schlusspfiff beide Fäuste und lief nach einer kurzen Ansprache rauf zu den drei „Ultras“ der Viki-Girls, um sich bei jedem persönlich für den 90-minütigen gesanglichen Support zu bedanken. Zweifelsfrei Ausdruck der Erleichterung, warum, sagte er im Interview: „Ein glücklicher Sieg, fragst du? Unterschreibe ich dir sofort.“

Die Anfangsminuten hatten noch seiner Viktoria gehört. Hülya Kaya hatte nach einem Gewühl im Unioner Strafraum die Führung auf dem Fuß. Der Abschluss war nicht druckvoll genug und die Köpenicker Schlussfrau Sarah Duszat auf dem Posten. Kurz darauf zischte ein Ball von Stefanie Gerken und von rechts durch den Torraum der Gastgeberinnen – kein Abnehmer. Trinity Künzel holte sich den Ball links und passte wieder scharf nach innen – erneut kein Adressat, wo dringend einer stehen müsste.
Vorbei erstmal mit der himmelblauen Offensiv-Herrlichkeit. Union bekam das Spiel zunehmend besser in den Griff. Ganz oft überzählig in Ballnähe, machten die Eisernen dem Tabellenführer den Spielaufbau schwer, dazu fanden sie Gefallen am schnörkellosen, schnellen Spiel in die Spitze. Josephine Bonsu kam nach einem diagonalen Flugball von rechts nach links eine Stiefelspitze für die perfekte Ballannahme zu spät, Viki-Torhüterin Jule Haake konnte intervenieren. Nach gleichem Muster ergab sich gleich danach eine dicke Kopfballchance für Elisa Spolaczyk – wieder nichts.
Bei der nächsten Offensivaktion der Guhr-Elf strapazierte die Viktoria dann das Glück schon arg: Lisa Heiseler war durch, donnerte den Ball aber nur an die Latte. Kurz vor der Pause tauchte dann erneut Bonsu allein vor Haake auf, die den Versuch der stets brandgefährlichen Angreiferin großartig parierte. Zwei Schüsse aus der Distanz, jeweils abgefeuert von Vanessa Lux, hielten als ordentliche Belege für weitere Offensivbestrebungen des Klassenprimus her, aber insgesamt war es zu wenig, was Viktoria nach den ersten zehn Minuten ablieferte.

Rießler sah das genauso. „Wir waren physisch im Zentrum nicht stark genug“, analysierte er nach der Partie. „Deshalb auch die Umstellung zur Pause, die meiner Meinung nach auch gefruchtet hat.“ Der Lichtenfelder Coach nahm Spitze Kimi Zietz aus der Partie, beorderte Hülya Kaya von der Sechs an vorderste Front und die erneut bärenstark agierende Marlies Sänger von der linken Außenverteidiger-Position auf die Sechs. Corinna Statz kam ins Spiel und übernahm ihren vorherigen Job. Fünf Minuten nach Wiederanpfiff war Sänger zur Stelle, als sich Trinity Künzel links im Strafraum durchsetzte und quer legte: 0:1.
Schock? Kennen die Unionerinnen offenbar nicht. Nach einer schlecht verteidigten Ecke kam Bonsu aus zehn Metern Entfernung zentrale Position zum Schuss und verwandelte sicher in die linke untere Ecke zum Ausgleich (58.). In der Folge drückte Union auf den Siegtreffer und hätte ihn nach großartiger Vorbereitung von Celine Frank auf Bonsu auch machen müssen. Im 1:1 behielt allerdings wieder Haake die Oberhand. Rießler lobte: „Richtig gut, in diesen Situationen hat Jule enorme Fortschritte gemacht“, und Bonsu ärgerte sich nach der Partie zu Recht: „Ich hätte heute wirklich vier Kisten anstatt einer machen müssen.“

Ein, zwei Konter fuhr die Viktoria noch – einen davon zu Guhrs Leidwesen richtig gut. Corinna Statz, schon in der Box, passte von links ins Zentrum, Sänger verpasste das Zuspiel knapp, aber am zweiten Pfosten lauerte die eingewechselte Beslinda Shigjeqi und netzte ein: 1:2, 88. Minute. Kurz darauf war Schluss, Himmelblau jubilierte, Rießler düste zu den Ultras rauf und das Lager der Roten war kollektiv konsterniert.
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„Wir haben zu viele Chancen liegengelassen, dennoch glaube ich, hätte ein 1:1 dem Spielverlauf eher Rechnung getragen“, bilanzierte eine enttäuschte Juliane Guhr. Ihr Co-Trainer Björn Münnich haderte ebenfalls mit der Torausbeute („Wenn wir in Führung gehen, verläuft das Spiel sicher anders“), aber auch mit der Leistung von Schiedsrichterin Saskia Köppe, die seiner Meinung nach die taktischen Fouls der Viktoria mit Karten hätte ahnen müssen. Zu Unrecht kam die Schelte nicht, Dilara Agac hatte in der ersten Hälfte Josephine Bonsu umgerissen und damit einen Unioner Konter unterbunden. „In der zweiten Hälfte hat sie das dann mit mir gemacht, das wäre in Summe gelbrot gewesen“, sagte Celine Frank, mit Bonsu und Katja Orschmann die stärkste Köpenickerin an diesem Tag. „Ich hatte aber auch das Gefühl, wir waren heute ein wenig übermotiviert und haben deshalb zu viele Fehlpässe gespielt.“

Was bleibt? Der Nachgeschmack der drei Sahne-Bonbons in den Mündern der Viktoria – diese Punkte waren immens wichtig. Das Erlebnis der Zuschauer, Zeugen eines Spitzenspiels gewesen zu sein, das diese Bezeichnung auch verdient hat. Und schließlich die bittere Hypothek für Union, mit dieser Niederlage im Gepäck in die Meisterschafts-Playoffs zu starten.
1.FC Union Berlin – FC Viktoria 1889 Berlin … 1:2 (0:0). 1. FC Union Berlin: Duszat, Fredrich (74. Scheffler, 82. Alsmasalme), Frank, Heiseler, Görsdorf (74. Krauss), Bonsu, Ahlswede (74. Pearl), Orschmann, Spolaczyk, Budde, Schrey. FC Viktoria 1889 Berlin: Haake, Sänger, Dey, Fandre, Agac, Künzel, Lux, Kaya (73. Shigjeqi), Barsalona (72. Grosch), Gerken (79. Sange), Zietz (46. Statz). Tore: 0:1 Sänger (50.), 1:1 Bonsu (58.), 1:2 Shigjeqi (88.). Schiedsrichterin: Saskia Köppe.







