von Matthias Vogel
Es ist ja eigentlich kaum in Worte zu fassen, was die Fußballerinnen des Berlin-Ligisten BSV Grün-Weiß Neukölln seit dem Erreichen des Endspiels im Berliner Pokal erleben. Seither steht sie nämlich fest, die sensationelle Teilnahme am DFB-Pokal. Aber einen Versuch ist es rasenperlen.com allemal wert.
Wie ein Tsunami hat sich die Vorfreude auf die Erstrunden-Begegnung gegen den Neu-Bundesligisten SV Meppen in den vergangenen Wochen aufgetürmt – im gesamten Verein. Und am heutigen Samstag soll sich die Welle brechen in einem Fußball-Fest, das jemals weder aus den Köpfen des Teams und der Fans, noch aus den Annalen des Clubs verschwinden wird. Die Kugel rollt ab 14 Uhr auf dem Rasenplatz im Volkspark Mariendorf.

Dem Neuköllner Coach Norbert Sengstock am Freitag trotz der Aufregung eine geruhsame Nacht zu wünschen, zog zwar ein artiges „Danke“ nach sich. „Aber ich schlafe schon seit zwei oder drei Wochen kaum noch, da kommt es jetzt auf die eine Nacht auch nicht mehr an“, sagte er und lachte. Nun gehört Sengstock sicher nicht zur Kategorie „Nervenbündel“. Vielmehr waren es die Begleiterscheinungen eines prominenten Gastspiels zu Corona-Zeiten, die ihm, seinem Co-Trainer und Bruder Peter sowie dem gesamten Verein und nicht zuletzt einem „sehr coolen Platzwart“ alles abverlangt hatten. „Du ahnst nicht, wie oft ich mit dem DFB und Meppen wegen unseres Hygiene-Konzepts telefonieren musste“, sagte Sengstock.
6000 Euro für den Corona-Test-Doppelpack
Selbiges stehe nach all den Anstrengungen nun aber einwandfrei, der Umzug in den Volkspark Mariendorf ließ den BSV einen würdigen Rahmen für eine DFB-Pokalrunde zimmern. Wie vom nationalen Verband für Bundesligisten vorgeschrieben, mussten sich auch die Neuköllner Spielerinnen während der Woche zweimal auf Corona testen lassen. Kolportierte Kosten: 6000 Euro, getragen vom DFB. „Alles in Ordnung“, vermeldet Sengstock. „Wir sind alle gesund.“
Anzurichten für ein hart erkämpftes sportliches Highlight in diesen Zeiten, das erfordert also jede Menge Entbehrungen von einem kleinen Amateur-Verein. Erstaunlich, dass die Profis vom SV Meppen auf ihrer Homepage eben solche beklagte. Die Fahrt in die Hauptstadt schmeckt der sportlichen Leitung demnach nicht, an einem Samstag schon gleich gar nicht. Von großen Herausforderungen an einen Bundesliga-Aufsteiger ist dort die Schreibe, und von Kritik an dem Modus des Wettbewerbs.

Nichts unversucht ließen die Favoriten deshalb auch, die Partie auf den Sonntag zu verlegen. „Der DFB hat uns dann auch noch sehr großzügig angeboten, wir könnten ja das Heimrecht tauschen, sollten wir das mit der Hygiene nicht hinbekommen. Das wäre ja für uns auch hoch interessant, mit zehn Fans nach Meppen zu schippern“, kommentierte Sengstock ironisch den Grund für seine vielen Telefonate.
Das war für den BSV zum Glück nicht verhandelbar, stattdessen hat er rangeklotzt. Und nun hofft er auf viele Berliner Freunde des Frauenfußballs, die den Underdog von den Rängen aus kräftig unterstützen. Denn im Gegensatz zum Halbfinale gegen den Regionalligisten SFC Stern 1900, das die Neuköllnerinnen nach einer dramatischen Partie im Elfmeterschießen für sich entschieden und damit das Billet für dieses Spiel lösten, sowie dem Finale (0:5 gegen den bereits feststehenden DFB-Pokal-Teilnehmer FC Viktoria 1889 Berlin), sind Zuschauer heute zugelassen.
Goodies für die Pokal-Heldinnen
Der Verein an der Johannisthaler Chaussee ist nach der bärenstarken Saison – im Liga-Betrieb landete das Team auf dem dritten Platz – mächtig stolz auf seine Fußballerinnen – und das lässt er sie spüren. Nach dem Halbfinal-Sieg gegen Stern kam die Männermannschaft mit einer Kiste Bier um die Ecke und jetzt, kurz vor dem möglicherweise größten Spiel in der Karriere der Kapheims, Lücks und Brücks, der Beckers, Hornungs, Waibels, Cannings, Schramas und wie sie alle heißen, hat Norbert Sengstock einen Sponsor an Land gezogen, der ordentlich Geld in die Hand genommen hat, um seine Truppe neu auszustaffieren.
Weil ja sonst hauptsächlich auf Kunstrasen gespielt wird, gab es für den DFB-Auftritt neue Rasenschuhe, neue Taschen und – ganz fein: Trikots mit den Namen der Spielerinnen auf dem Rücken und dem Datum des besonderen Tages unter dem Wappen auf der Brust. „Wir werden zwar die ganze Saison damit bestreiten, aber dann dürfen sie die Trikots als Andenken behalten“, so Sengstock. Noch einige andere Überraschungen seien geplant. „Ich glaube die Mädels wissen gar nicht, was da heute auf sie zukommt.“
(adsbygoogle = window.adsbygoogle || []).push({});
Ach ja: Gekickt werden muss auch noch. Dass Meppen einige Leistungsträgerinnen für verschiedene Nationalmannschaften abstellen muss, dürfte an den Kräfteverhältnissen auf dem Rasenrechteck nicht viel ändern. Sengstock ist jedenfalls guter Dinge: „Wir haben viel trainiert in den vergangenen beiden Wochen und ich denke, mein Bruder und ich haben die Mannschaft gut eingestellt, ungewohnter Rasenplatz hin oder her. Verstecken wollen wir uns nicht, das große Ziel ist es, ein Tor zu schießen. Und dann wird man sehen, was passiert. „Vielleicht auch zwei“, fügt der Norbert Sengstock auch noch hinzu. Da könnte man natürlich sagen: Dafür, dass er nicht gut geschlafen hat in letzter Zeit, träumt er doch ganz gut. Aber Sengstock weiß schon, was Phase ist, und das Träumen wird doch noch erlaubt sein an diesem einen Tag, an dem ganz Frauenfußball-Berlin zumindest im Geiste Grün-Weiß trägt.
Autofahrer aufgemerkt: Wegen Baustellen stehen am Volkspark Mariendorf noch weniger Parkplätze zur Verfügung als sonst. Es wird empfohlen, in der Rixdorfer Straße zu parken und dann entlang des Schwimmbads zum Stadion zu pilgern.
Kommentar verfassen