Ein „dreckiges“ 1:0

von Matthias Vogel

Magdeburg. Matchplan aufgelegt und zufrieden mit dem Spielverlauf? Magdeburgs Trainer Michael Böhm und Viki-Coach Roman Rießler hätten nach einer halben Stunde des Regionalliga-Duells wohl beide ihren „Check!“-Haken dahinter gemacht. Dann kam alles anders. Viktoria-Ass Tatjana Fandre wurde wegen wiederholten Foulspiels vorzeitig zum Duschen geschickt. Ihr Team war danach gegen einen starken FFC zum Fighten verurteilt, tat das aber mit enormer Leidenschaft und siegte mit 1:0.

Es ist das dritte Spiel in Folge, in dem Hülya Kayas Torhunger Viktoria den Dreier sichert. In Hohen Neuendorf drehte sie mit zwei Treffern einen 0:1-Rückstand in einen 2:1-Sieg, gegen den FC Phoenix Leipzig vergangene Woche erzielte sie die ersten vier Treffer bei 7:0-Kantersieg. Und heute holte sie in der 6. Spielminute geschickt einen Elfmeter heraus und verwandelte ihn selber sicher zum Tor des Tages. Selten war eine Bude so wichtig, aber genauso selten war ein Viki-Sieg derart dem Team-Spirit geschuldet.

Gelbrot, aber niemand schimpft. Tatjana Fandre kassiert die erste gelbe Karte bewusst, bei der zweiten hat sie einfach Pech. Foto: Matthias Vogel

In der 33. Minute wendeten sich alle Blätter. Tatjana Fandre kam auf der rechten Abwehrseite einen Schritt zu spät und Chantal Schmidt zu Fall. Ein eher harmloses Foul und wer weiß, ob Schiedsrichterin Linda Thieme die Gelbe Karte überhaupt gezückt hätte, wäre sie, was Fandre anbelangt, nicht schon sensibilisiert gewesen. Denn Viktorias Innenverteidigerin hatte Schmidt nach etwa 20 Minuten bereits gelegt. Die wieselflinke Stürmerin des Tabellenfünften wäre sonst wohl auf und davon gewesen. Gerne hätte der FFC-Anhang da bereits den Platzverweis gesehen und Fandre hatte wohl tatsächlich das Glück, ganz knapp nicht die letzte Berliner Abwehrkraft gewesen zu sein. Dunkel orange und hellgelb ergaben jedenfalls in Thiemes Addition gelbrot. Nun war für die Viktoria Abwehrschlacht oder Konterfußball angesagt, für Magdeburg Ball laufen lassen oder Brechstange auspacken – Matchpläne hin oder her.

Sie ist wieder da, die „eingebaute Torgarantie“ bei Hülya Kaya. Hier verwandelt sie den Elfmeter zum Siegtreffer für Viktoria. Foto: Matthias Vogel

Rießler beorderte Außenverteidigerin Marlies Sänger für Fandre nach innen und seine Zehn Corinna Statz auf Sängers Position. Direkt im Anschluss an den Platzverweis drückte Magdeburg noch kräftig auf’s Gaspedal, die Überlegenheit ebbte allerdings bald ab und die größte Chance im ersten Spielabschnitt hatte die Böhm-Elf sowieso, als noch elf Himmelblaue auf dem Feld standen. Jessica Fischer hatte sich auf der linken Seite durchgesetzt und Schulbuch mäßig auf den zweiten Pfosten geflankt, Schmidts Kopfball strich lediglich einen halben Meter an dem von Julia Haake gehüteten Kasten vorbei (8.). Kurz vor Fandres Schichtende musste der Berliner Anhang auch noch einmal die Luft anhalten. Haake leitete einen Rückpass von Vanessa Lux auf Sänger ungenau weiter, Schmidt war dem Aufbau extrem nahe auf die Pelle gerückt. Sänger stellte ihren Körper Regel konform zwischen sie und den Ball, es gab allerdings auch einen hörbaren Kontakt im Knöchelbereich. Schmidt hob im 16er ab, aber Thiemes Pfeife blieb stumm – Gebrüll der Entrüstung in der Magdeburg-Sektion (28.).

Als Kapitänin muss vorangegangen werden. Stephanie Gerken (Bildmitte) hielt sich in Magdeburg daran. Foto: Matthias Vogel

Früh kam die junge Magdeburger Mannschaft nach der Pause auf’s Feld, Entschlossenheit sollte wohl nun Trumpf sein. Der FFC hatte auch tatsächlich bis zum Abpfiff optisches Übergewicht, Viktoria gestattete aber nur zwei gefährliche Torversuche. Eigentlich hatte sich das neue Innenverteidiger-Paar Marlies Sänger und die bärenstarke Vanessa Lux auf die Magdeburger Einheitskost – lange Flugbälle hinter die letzte Reihe – längst blendend eingestellt. Einer entwischte ihnen dennoch und urplötzlich standen Schmidt und die gerade erst eingewechselte Fabienne Wendt blank an der Strafraumkante. Eine nachsetzende Viktoria-Spielerin hinderte Schmidt am Torerfolg. Die Torjägerin musste quer legen und Wendt schoss halbhoch links neben das Tor. Kurz darauf kam noch FFC-Kapitänin Tabea Alsleben weitgehend ungehindert über links angesaust und trat die Kugel flach und scharf in den Torraum, wo Fischer wohl vollstreckt hätte, wenn nicht Danya Barsalona sie noch entscheidend gestört hätte.

Wenn es robust wird wie im Spiel gegen Magdeburg, ist Viktoria-Allrounder Marlies Sänger (li., gegen Chantal Schmidt) in ihrem Element. Foto: Matthias Vogel

Fast wäre es ausgerechnet wieder Kaya gewesen, die sämtliche Magdeburger Hoffnungen zunichte gemacht hätte. Kurz vor ihrer Auswechslung in der 78. Minute wurde sie von ihrer Kapitänin Stephanie Gerken großartig auf die Reise geschickt. Alleine vor Magdeburgs Torhüterin Jana Tauer setzte sie einen Heber an, der Abseitspfiff gellte, der Ball trudelte ins Tor. Dieses Mal Entrüstung im himmelblauen Lager.

Nach dem Abpfiff lobte Rießler seine Mannschaft ausdrücklich für die Bereitschaft, sich bis zur letzten Sekunde in jeden Zweikampf reingeworfen zu haben. „Ich bin stolz auf euch, hier wächst gerade zusammen, was zusammen gehört“, sagte er. Michael Böhm haderte ein wenig mit der Leistung des Schiedsrichter-Gespanns, bemängelte aber auch die Torausbeute seiner Truppe. „Viktoria hat ohne Chance aus dem Spiel heraus gewonnen, wir schießen aber ja auch kein Tor. Das ist bitter. Aber wir sind mit dem Verlauf dieser Saison dennoch sehr zufrieden, nach dem großen Aderlass zum Saisonwechsel und den vereinsinternen Querelen der letzten Zeit.“

Frech: Auch in Unterzahl hielt Viki-Coach Roman Rießler seine Mädels dazu an, den Gegner früh anzulaufen. Foto: Matthias Vogel

Chef-Viki-Girl Gerken, die in der zweiten Hälfte mit der oft zitierten „zweiten Luft“ gesegnet und als Sechser wirklich überall auf dem Feld zu finden sowie auch noch anspielbar war, wusste den Triumph richtig einzuordnen: „Das war so ein richtig dreckiger 1:0-Sieg. Aber so einen braucht man auch mal, das tut richtig gut.“


Magdeburger FFC – FC Viktoria 1889 Berlin 0:1 (0:1). FFC: Tauer, Fuchs, Hornetz (60. Lier, 69. Wendt), Seidler, Schmidt, Hildebrand, Fischer, Spiller, Schulz, Klamt (60. Naujoks), Alsleben. Viki-Girls: Haake, Grosch, Lux, Fandre. Sänger, Reh (62. Trapp), Gerken, Sange, Barsalona, Statz, Kaya (78. Zietz). Tor: Kaya (6.). Gelbrot: Fandre (33.). Schiedsrichterin: Linda Thieme. Zuschauer: 57.

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von Anders Noren.

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