Viktoria triumphiert im Top-Derby gegen Union
Rießler-Elf wirkt reifer, konsequenter und entführt verdient drei Punkte aus Köpenick.

von Matthias Vogel

Das Duell der aktuell besten Regionalliga-Teams der Frauen hat gehalten, was es versprochen hat. Der 1. FC Union Berlin und der FC Viktoria 1889 Berlin boten den etwa 100 Zuschauern ein schnelles, rassiges und spektakuläres Fußballspiel. Viktoria behielt verdienter Maßen mit 2:0 die Oberhand, die Treffer erzielten Dilara Türk und Anja Kähler.

Köpenick. Es war eher Bauchgefühl als tiefstes Vertrauen, warum Viki-Coach Roman Rießler die wegen Schüttelfrost kurzfristig ausgefallene Tatjana Fandre durch Dilara Türk ersetzte. Die quirlige Angreiferin war ihm im abschließenden Freitagstraining einfach nicht fokussiert genug gewesen. Er stellte sie dennoch neben Anja Kähler in den Sturm, zog dafür Hülya Kaya zurück ins Mittelfeld. Eine Maßnahme, die Gold wert war. Türk war bis zu ihrer Auswechslung in der 75. Minute ständiger Unruheherd und – speziell mit dem Ball am Fuß – für Union nur selten richtig zu packen. Bereits nach zwei Minuten kam sie über die rechte Angriffsseite bis auf die Grundlinie herangewirbelt, eine Unionerin entschärfte ihr scharfes Zuspiel auf Kähler in letzter Sekunde – Fingerzeig für ihre Tagesform, Wecker für die junge Unioner Elf, Startschuss für eine temporeiche, packende Partie.

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Viktoria bejubelt das 1:0 durch Dilara Türk (3. v. li.). Foto: Matthias Vogel

Die Gäste aus Lichterfelde versuchten von Beginn an, die Deckung der Köpenickerinnen über die Flügel auszuhebeln. Zwei, drei gefährliche Flanken der pfeilschnellen Luise Trapp segelten während der ersten Hälfte auch in den Strafraum, dort war Union allerdings auf dem Posten. Auch sonst hielten die „Eisernen“ – wie von Trainer Falko Grothe erwünscht – körperlich prächtig dagegen. Zwei sehr gute Tormöglichkeiten, Mitte der ersten Schicht, waren mit für Grothes Einschätzung nach dem Spiel verantwortlich, ein Remis hätte dem Spielverlauf wohl eher entsprochen. Erst brachte Marta Stodulska nach gewonnenem Zweikampf den Ball halbhoch in die Mitte. Lena-Marie Wolter Cosme war einen Schritt zu spät, ihr Schuss ging fünf Meter links am Viktoria-Gehäuse vorbei. Nur eine Minute später dann die identische Spielsituation, diesmal kam die Flanke von Elisa Emini – ein Stockwerk höher. Wolter Cosme kam auch dieses Mal nicht optimal hinter die Kugel, ihr Kopfball zischte über die Latte. Auf der Gegenseite wurde es nach einer halben Stunde brenzlig. Marlies Sänger stoppte einen langen Ball von Union-Torhüterin Monique Eichhorn herunter, marschierte los und zog von der Strafraumgrenze ab. Der abgefälschte Ball senkte sich gefährlich, aber knapp rechts neben dem Tor.

Dilara Türks Minute

Dann schlug Dilara Türks Minute. Julia Reh hatte die rechte Außenverteidigerin von Union unter Druck gesetzt. Deren Rückpass schlug Eichhorn zu kurz ins Feld. Türk hätte sofort schießen können, das Tor stand leer. Stattdessen zog sie mit viel Speed nach innen und schob trotz Bedrängnis das Spielgerät gegen die Laufrichtung der zurückeilenden Eichorn zum 0:1 ein. Nach dem Spiel kommentierte Rießler den Treffer etwas launig so: „Ich bin froh, dass sie sich für diese Variante entschieden hat. Ich kenne sie, den Schuss auf’s leere Tor hätte sie versemmelt.“

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Selten unfaire, packende und beherzt geführte Zweikämpfe wie hier von Julia Reh (re.) und Lätizia Radloff, prägten das Derby. Zwei gelbe Karten gab es auf jeder Seite. Foto: Matthias Vogel

Änderung der Spielrichtung, noch schärferes Bild. Nach der Aufwärmviertelstunde – bei der nasskalten Witterung beneideten die Zuschauer die Spielerinnen um deren Kabinengang – wurde die spielerische Überlegenheit der Viktoria deutlicher. Gesteuert von der überragenden Eyline Jakubowski im Zentrum, drängte sie auf das 2:0. Union war zunehmend in der Defensive gebunden, startete nur noch sporadisch Offensivaktionen. Eine davon hatte es allerdings in sich. Nach einem langen Ball in die Box der 89er ließ Stodulska ihre Gegenspielerin gekonnt ins Leere laufen und hatte nur noch Viki-Torsteherin Inga Buchholz vor sich. Im letzten Moment kam Sänger von hinten angerauscht und verhinderte Stodulskas Torschuss. Es sollte die letzte Möglichkeit für Union gewesen sein, das Spiel noch zu drehen. Die dickeren Möglichkeiten hatte ohnehin Viktoria. So setzte sich Türk wieder einmal durch – diesmal über links – legte messerscharf und punktgenau von der Grundlinie an die Sechzehnerlinie zurück. Hülya Kayas Schuss wurde geblockt, im Nachfassen setzte Türk den Ball links neben die Kiste (55.). Nach einer Ecke und Gewühl im Union-Strafraum sprang der Ball dann am zweiten Pfosten Julia Reh vor die Füße, ihren Schuss in Richtung rechte lange Ecke parierte Eichhorn überragend (62.). Genauso wie den wuchtigen Freistoß von Jakubowski nur Minuten später. Diesmal lenkte sie die Kugel mit den Fingerspitzen über die Latte.

Kähler schießt sofort, halb aus der Drehung

Eichhorn stand auch bei der Entstehung des entscheidenden 0:2 im Mittelpunkt. Nach einem Rückpass fand sie keine Anspielstation, Kähler lief sie an und blockte den Befreiungsschlag. Was dann folgte, hat viel mit Handlungsschnelligkeit zu tun und unterstrich, was hinlänglich bekannt ist: Anja Kähler weiß, wo das Tor steht. Sie hätte mit dem freiliegenden Ball nämlich auch mutterseelenallein auf das leere Tor zu laufen und damit auf Nummer sicher gehen können, immerhin waren noch 18 Meter zu überwinden. Stattdessen schoss sie halb aus der Drehung sofort. Aus Sicht der Viktoria eine genauso gute Lösung, der Ball trudelte nämlich mittig ins Tornetz (75.).

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War mit der Leistung seiner Mannschaft nicht unzufrieden: Union-Coach Falko Grothe. Foto: Matthias Vogel

Die Eisernen Ladies und die Viki-Girls haben die Bezeichnung Spitzenspiel voll uns ganz gerechtfertigt. Aufgrund der zweiten Hälfte war der Dreier für den Tabellenführer über den ärgsten Verfolger und Lokalrivalen verdient. Und auch wenn Falko Grothe ein Unentschieden für gerechter gehalten hätte, so gab er doch zu, dass seiner Elf in der Offensive die Durchschlagskraft gefehlt habe. „Natürlich bin ich enttäuscht, wir wollten gewinnen. Ich finde aber, wir haben das insgesamt gegen diesen cleveren Gegner gut gelöst, gerade in der Defensive.“ Seine Torhüterin Monique Eichhorn nahm er ausdrücklich und mit Recht in Schutz: „Man kann ihr allein keinen Vorwurf machen. Es hat ihr in beiden Situationen an Anspielstationen gefehlt. Zudem hat sie auch heute wieder großartig gehalten.“ Roman Rießler war vom Auftritt seiner Elf angetan: „Ein sehr reifes Spiel, davon war ich selbst überrascht. Irgendwie wirkten wir aber heute auch spritziger und entschlossener.“ Dilara Türk heimste ein Sonderlob ein. „Dass sie schnell und der Ball ihr Freund ist, wissen wir ja. Aber heute war sie auch unheimlich konsequent bei der letzten Aktion. Das hat mir gut gefallen.“


1. FC Union Berlin – FC Viktoria 1889 Berlin 0:2 (0:1): Eiserne Ladies: Eichhorn, Stodulska, Görsdorf, Weidt, Wolter Cosme (61. Bach), Boedeker, Emini (46. Fröhlich), Niesler, Götz, Radloff, Budde (79. Trommer). Viki-Girls: Buchholz, Agac, Sänger, Purps, Schulte, Trapp, Kaya, Jakubowski, Reh (86. Kleinfeld), Kähler (83. Shigjeqi), Türk (75. Barsalona). Tore: 0:1 Türk (36.), 0:2 Kähler (75.). Zuschauer: 100, nass und durchgefroren.

Rasenperlen des Tages: Türk, Jakubowski (Viktoria). Eichhorn, Stodulska (Union).

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von Anders Noren.

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