Türkiyemspor holt den Pokal

Kreuzbergerinnen bezwingen den FC Viktoria 1889 in einem packenden Finale vor 1650 Zuschauern mit 2:0

von Matthias Vogel

Das Team von Coach Murat Dogan wirkte über die gesamte Spielzeit spritziger, irgendwie gieriger auf den Titel und hatte überdies mehr gute Torchancen zu verzeichnen. Und deshalb gab es im Stadion im Volkspark Mariendorf nach dem Schlusspfiff keine zwei Meinungen: Der Polytan Cup ziert verdienter Maßen künftig die Vitrine im Clubheim an der Blücherstraße.

Das Szenario zwischen Abpfiff und Siegerehrung: Hier maßlos enttäuschte Gesichter in schwarz-rot, selbst der unermüdlich anfeuernde Fanclub der Viktoria ist still, dort die Freude pur über den ersten Sieg im vom Berliner Fußball-Verband ausgelobten Wettbewerb um den Polytan-Cup, die Tükiyemspor-Fans gröhlen, ihre Heldinnen jubeln mit, hüpfen und skandieren schließlich im Chor: „Die Nummer 1 der Stadt sind wir!“

Grenzenlose Freude: Die Fußballerinnen von Türkiyemspor Berlin holen zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte den Polytan-Cup. Foto: Matthias Vogel

Der Feier gingen 90 hoch spannende Minuten mit vielen Strafraumszenen voraus. Noch nicht einmal drei Minuten waren gespielt, da hätte der Titelverteidiger schon mit 0:2 in Rückstand liegen können, wenn nicht sogar müssen. Erst steckte Aylin Yaren in einer 2:2-Situation – Viktoria hatte den Ball im Zentrum in der Vorwärtsbewegung verloren – mustergültig für Leyila Aydin durch, die zwar noch ebenso mustergültig rechts an Viki-Torhüterin Inga Buchholz vorbeiging, das Spielgerät dann aber über das Tor wuchtete.

Kurz darauf waren die beiden Blauhemden schon wieder auf dem Weg zum Führungstreffer, diesmal bediente Aydin Yaren auf der anderen Seite, und die scheiterte nun am ausgestreckten Bein von Buchholz. Damit nicht genug der „Riesen“. Eine Viertelstunde war gespielt, als Yaren über den linken Flügel angesaust kam und Senanur Yavuz im Rückraum bediente – Viktorias Innenverteidigerin Tatjana Fandre rauschte noch mit Siebenmeilenstiefeln heran und rettete für ihre bereits geschlagene Torhüterin.

Tatjana Fandre läuft Aylin Yaren ab, in der 32. Minute musste sie verletzt runter vom Feld. „Ein Knackpunkt in dieser Partie“, wie ihr Coach Johannes Fritsch sagte. Foto: Matthias Vogel

„Ich mag ja diese Verspieltheit“, sagte Türkiyemspor-Coach Murat Dogan nach der Partie im Siegestaumel, angesichts der nicht konsequent zu Ende gespielten Angriffe seiner Elf. Ob er das genauso gesehen hätte, wenn sich die mangelnde Ausbeute gerächt hätte? „Es stimmt schon, Viki hätte auch in Führung gehen können“, gab er zu.

Damit meinte er noch nicht Stephanie Gerkens Schuss, als ihr nach einer Ecke der „zweite Ball“ an der Strafraumkante vor die Füße fiel, ihr Schuss aber weit über das Türkiyemspor-Gehäuse ging (12.). Und dabei hatte er auch nicht den guten Move nach innen, aber zu schwachen Linksschuss von Marlies Sänger (17.) oder den Schuss aus zu spitzem Winkel von Louise Trapp, der ebenfalls deutlich sein Ziel verfehlte (29.), im Kopf. Allerdings dürfte ihm durchaus warm geworden sein, als Sänger die Kugel nach einer Ecke in der Box mit dem Vollspann erwischte und das Geschoss nur hauchzart über den Querbalken zischte (41.).

Türkiyemspor kam weiter zu klareren Chancen: Sozusagen im Gegenzug köpfte Angelina Lübcke eine Freistoßflanke von Erika Szuh aus nächster Distanz am Tor vorbei. Die einen rieben sich verwundert die Augen, weil Lübcke wirklich mutterseelenallein am zweiten Pfosten auftauchte, die anderen, weil sie es nicht fassen konnten, wie sie diese dicke Chance nur vergeben konnte – es war ein packendes Finale.

Klare Punktsiegerin: Außenverteidigerin Lutricia Michalke (re.) schaltete Viktorias Youngster Trinity Künzel weitgehend aus. Den Ausgleichstreffer hatte Künzel trotzdem auf dem Fuß. Foto: Matthias Vogel

Und es war bezeichnend für dieses Match der ausgelassenen Großchancen, dass der Führungstreffer unerwartet fiel. Nach einer Ecke von links brachte Lübcke den Ball mit dem Rücken zum Tor von der Strafraumkante aus irgendwie als Bogenlampe auf die Kiste. Bucholz musste sich mächtig strecken um einen Treffer zu verhindern. Im Nachfassen war Aydin einen Schritt schneller als ihr Bodyguard Selina Grosch und spitzelte den Ball über die Torlinie. 1:0, 65 Minuten waren gespielt, der Türkiyemspor-Anhang stand Kopf.

Für die Viktoria kam der Gegentreffer zur absoluten Unzeit. Nach dem Seitenwechsel ließen sich einige Kombinationen und Steilpässe recht gut an. Bereits nach einer Stunde hatte Viki-Coach Johannes Fritsch in Katharina Geßner und Corinna Statz zwei frische Offensivkräfte eingewechselt, das machte sich bemerkbar, auch wenn Türkiyemspor nicht wirklich in Verlegenheit geriet und die Partie im Griff behielt. Erst in der 77. Minute hätte das Endspiel noch einen anderen Verlauf nehmen können. Geßner spielte nach Balleroberung der Viktoria auf der rechten Seite flugs einen tollen Pass in den Lauf von Trinity Künzel, die sich im Laufduell auch endlich gegen die starke Lutricia Michalke durchsetzen konnte, mit ihrem Schuss aber an Torhüterin Kevser Gündoglu hängen blieb. „Den muss sie einfach machen“, gab Viki-Coach Johannes Fritsch nach dem Abpfiff zu Protokoll.

Kathi Geßner (re.) bereitete nach ihrer Einwechslung die dickste Chance für die Viki-Girls vor, ansonsten blieb es dabei: Lena-Marie Wolter Cosme und der Rest der Türkiyemspor-Defensive ließen sich nicht wirklich aus der Ruhe bringen. Foto: Matthias Vogel

Der Rest ist schnell erzählt. Viktoria machte voll auf, das eröffnete Räume für die Kreuzbergerinnen. In der Schlussminute veredelte Aylin Yaren einen Konter zum Knock-Out für den FC (Titelbild). Kurz hinter der Mittellinie erhielt sie auf der linken Seite den Ball, im Zentrum auf gleicher Höhe startete Viki-Verteidigerin Dilara Agac die Verfolgung. Die Schützin beschrieb ihr 2:0 nach dem Spiel so: „Dilara war noch weit weg, da bin ich losgelaufen. Im 16er habe ich gesehen, dass noch jemand von uns mitgelaufen war. Weil das Abspiel in der ersten Hälfte nichts gebracht hat, habe ich es diesmal selber probiert. Gut das das Ding reingegangen ist.“

Gut? Fans, Stuff, Reservebank – das Türkiyemspor-Lager glich einem Tollhaus. Ein überglücklicher Trainer Murat Dogan fand deshalb auch ein anderes Wort für den Triumpf: „Überragend. Und verdient. Wir waren dominant und haben davon profitiert, dass Viki Marlies Sänger nach der Verletzung von Tatjana Fandre nach hinten beordert hat. Sänger macht viel der Offensive aus.“

Nach dem 2:0 gab es im Lager der Kreuzbergerinnen kein Halten mehr. Foto: Matthias Vogel

Viktorias Team-Chef Peter Rießler sagte nach der Partie: „Wir waren heute einfach schlechter als Türkiyemspor. Ein wenig überrascht hat mich, dass wir auch körperlich unterlegen waren.“ Louise Trapp, zur Stürmerin umfunktionierte Flügelspielerin der Himmelblauen hat das Finale so erlebt: „Das Spiel war für mich eines der schwierigsten der Saison. Auch wenn es bis zur Halbzeit noch ausgeglichen war, hat Türkiyemspor im Endeffekt verdient gewonnen. Wer keine Tore schießt, darf sich nicht beschweren. Aber ich bin mir sicher, dass wir an der Niederlage weiter wachsen. Wir schauen bereits nach vorne und freuen uns darauf, den Titel „Berlins Nummer 1″ zurückzuholen.“

Aylin Yaren sagte: „Wir haben das richtig gut gemacht heute. Was mit Viktoria los war heute, weiß ich nicht. Das war im Liga-Spiel alles deutlich anstrengender für uns, vor allem der Spielaufbau.“ Der Berliner Fußball-Verband ehrte Erika Szu als „Player of the match“, was diesem besonderen Tag in der Vereinsgeschichte von Türkiyemspor den letzten Schliff verpasste.


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von Anders Noren.

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