Die Vorentscheidung ist gefallen!

Regionalliga: Klassenprimus Türkiyemspor Berlin unterliegt bockstarken Turbinen und hakt die Meisterschaft ab

von Matthias Vogel

Die Potsdamer Zweite legte eine Erste-Halbzeit-Deluxe auf den Rasen im Kreuzberger Katzbachstadion und hatte mehrfach die Führung auf dem Fuß. Nach dem Seitenwechsel mussten die Gastgeberinnen den ersten Gegentreffer zur Unzeit hinnehmen – gerade drückten sie nämlich ihrerseits auf die Führung. Am Ende hieß es 0:2, womit Turbine Türkiyemspor den Platz an der Sonne abjagte und wohl nicht mehr hergeben wird.

„Herzlichen Glückw… äh: Herzlich willkommen im Katzbachstadion!“ hallte es am vergangenen Sonntag kurz vor 14 Uhr aus den Lautsprechern im Rund an der Dudenstraße. Ob der Stadionsprecher da schon mehr wusste und den Gästen deshalb fast vorab zum Dreier gratuliert hätte? Niemals! Viel hätte aber nicht gefehlt, und sein Versprecher hätte schon zur Pause neu und dann im richtigen Kontext formuliert werden können.

Zweikampfhärte war gefragt von Marta Schrey (re.) und dem Rest von Türkiyemspor. Foto: Matthias Vogel

Denn der 1. FFC Turbine Potsdam bestätigte von Beginn an seine Form, die er nach der 2:3-Niederlage am 10. Oktober bei der Viktoria kontinuierlich verbessert hat. Fünf anerkannte Siege in Folge – die beiden Dreier gegen den SC Staaken und Phönix Leipzig wurden annulliert, weil die beiden Teams zurückgezogen haben – hatte die Elf des Trainers Thomas Kandler zuvor verbucht und damit die Konstellation „Partie Erster gegen Zweiter mit vorentscheidendem Charakter“ überhaupt erst herbeigeführt.

Bereits nach einer halben Minute hatte Potsdams Tor-Turbine Pauline Deutsch die Führung auf dem Fuß. Nach dem Anstoß hatte eine ihrer Teamkolleginnen den Ball sofort nach vorne gewuchtet und damit die Türkiyemspor-Kette überrascht – aber eben auch Deutsch selbst, deren zaghafter Linksschuss von der Strafraumgrenze aus für Torhüterin Douha Mzoughi kein Problem war. Nur ein paar Zeigerumdrehungen später lief Deutsch aus halbrechter Position schon wieder auf Mzoughi zu, ging links an ihr vorbei, setzte den Ball dann aber neben das Tor.

Potsdam wechselte die Art des Vorwärtsmarschierens nach Bedarf, mal ging die Post über die rechte Seite ab, wo Lena-Marie Wolter Cosme etwas brauchte, um sich auf die beweglichen, sich abwechselnden Pia Metzker und Irena Kuznezov einzustellen, mal wurde schnurstracks der Weg durch das Zentrum gesucht. Türkiyemspors letzte Reihe stand amtlich unter Stress und auch im Spielaufbau tat sich der Spitzenreiter mit den Turbinen auf den Fersen schwer. Das Mittel der Wahl waren zumeist lange Bälle, zumeist geschlagen von Alex Almasalme und einmal wenigstens mit Wirkung. Ihr Flugball landete halblinks bei der Kreuzberger Toptorschützin Aylin Yaren, die sich ihre Bewacherin geschickt vom Leib hielt und aus spitzem Winkel einen Flachschuss abfeuerte, für den sich Potsdams Torsteherin Vanessa Fischer sich durchaus lang machen musste (21.).

Noch einmal musste Murat Dogan, der nach der Demission von Deniz Corr (Dogan: „Wir hatten persönliche Probleme.“) zusammen mit Erika Szuh wieder das Training leitet, durchblasen. Ein präziser Diagonalball von der rechten Seite an die Strafraumkante hebelte seine Defensivabteilung aus, Glück für Türkiyemspor, dass Wibke Meister überhastet in den Kreuzberger Himmel jagte (28.).

Maria Pia Zander Zeidam vergibt eine Riesenchance für Türkiyemspor. Foto: Matthias Vogel

Auf Instagram hat Dogan einen Tag nach dem Spiel ein Video gepostet, auf dem ein Pfostenschuss für seine Elf zu sehen ist. Überschrieben hat er es mit den Worten: „Was wäre, wenn …“. In der Tat hätte die Partie zugunsten von Türkiyemspor kippen können, genau in dieser Minute. Erst stibitzte Marie Pia Zander Zeidam der letzten Potsdamer Feldspielerin den Ball, scheiterte aber nach kurzem Dribbling an der großartig parierenden Fischer. „Den muss sie einfach machen“, sagte Dogan nach der Partie. Direkt im Anschluss bekam Erika Szuh den Ball von der linken Seite an den 16er zurückgelegt. Mit der Innenseite wollte sie ihn in die rechte Ecke schlenzen. Zweifelsfrei war das die richtige Entscheidung, weil Fischer in diesem Moment noch in der anderen Ecke weilte. Ihr Schuss sprang vom Innenpfosten wieder ins Spielfeld zurück und wurde geklärt, Szuh hielt sich sekundenlang ungläubig die Hände vor das Gesicht (55.)

Dogan hatte zur Pause Christin Janitzki und Leyila Aydin für Zera Badem und Sanna El-Agha gebracht, das zahlte sich aus. Aydin machte ordentlich Betrieb auf der rechten Außenbahn und auch Janitzki sorgte für Schwung, von ihr kam das Zuspiel für Szuhs Großchance. Noch einmal zu Dogans Post: Wäre Türkiyemspor hier in Führung gegangen, wäre ein Dreier und damit auch der Meistertitel gut möglich gewesen. Auch die Kreuzbergerinnen haben keine großen Gegner mehr auf dem Zettel stehen.

Packende Duelle auf der Außenbahn lieferten sich Türkiyemspors Lena-Marie Wolter Cosme (re.) und Pia Metzker. Foto: Matthias Vogel

Verflucht sei also einmal mehr der Konjunktiv im Fußball, zumindest aus Kreuzberger Sicht. Potsdam hatte sich auf das Kontern verlegt und bekam nach etwa einer Stunde einen Freistoß im rechten Halbfeld zugesprochen. Die Flanke veredelte Deutsch per Kopf zur Führung (59.). Türkiyemspor mühte sich weiterhin redlich, hatte auch mehr Ballbesitz, einzig die Durchschlagskraft fehlte. Als Chef-Turbine Antonia Haase nach einer Ecke dann den zweiten Kopfball im Türkiyemspor-Netz unterbrachte (81.), war die Niederlage besiegelt. Daran änderten auch zwei starke Soli von Janitzki und Szuh in der Schlussphase nichts, an deren Ende jeweils Schüsse über den Potsdamer Kasten standen.

Erika Szuh stand die Enttäuschung nach dem Spiel ins Gesicht geschrieben: „Was soll ich sagen? Das war’s mit der Meisterschaft. Die Schiedsrichterin hat es nicht gut mit uns gemeint. Aber wir müssen unsere Chancen nutzen, nicht nur gegen schwächere Teams.“ Murat Dogan erkannte dien Leistung der Turbinen an: „Das war ein verdienter Sieg. Gerade in der ersten Halbzeit haben wir überhaupt nicht ins Spiel gefunden. Wir waren zu weit weg von den Gegenspielerinnen und die Abstände waren zu groß. Und bei den beiden Gegentreffern gehen wir nicht vernünftig zum Ball.“ Potsdams Coach Thomas Kandler: „Das war die Vorentscheidung in der Meisterschaft, denke ich. Erste Hälfte war sehr gut, da können wir schon 3:0 in Führung liegen. Später waren wir nicht mehr ganz so gut im Spiel. Ich bin trotzdem sehr zufrieden.“


Titelbild: Pauline Deutsch köpft die Führung für Potsdam. Foto: Matthias Vogel

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von Anders Noren.

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