Nach einem spektakulären Berlin-Liga-Match mit einigen überraschenden Wendungen teilen sich Borussia Pankow und FC Internationale die Punkte: 4:4
von Matthias Vogel
Favorit und Gastgeber Pankow war am Drücker, lag plötzlich zurück, schloss auf, bekam einen herben Dämpfer und war beim Stand von 1:4 eigentlich schon mausetot – die Buchmacher hätten in diesem Moment Höchstquoten für ein Unentschieden bezahlt. Und sie wären wohl pleite gegangen, weil nämlich Georgina Weinholz noch etwas vorhatte.
Um das Spiel besser zu begreifen, braucht es vielleicht eine kleine Einleitung. Der Tabellendritte erwartet den Zehnten, da müsste man bei einer Punkteteilung sofort die Sensationskeule schwingen. Allerdings tummeln sich bei Inter nicht wenige gestandene Berlin-Liga-Spielerinnen und Fußballerinnen mit Regionalliga-Erfahrung. Ob Maike Resing (Hohen Neuendorf), Beros frühere Toptorjägerin Frieda Barck, Cindy Hagen, die in der Winterpause vom FC Viktoria 1889 zurückkehrte, die nach Knieverletzung wieder genesene Sally Schwedler, Vasfije Elezi (BSC Marzahn) oder Kapitänin Saskia Halfenberg – Qualität ist wahrlich auf der Platte. In Hannah Reinhardt (Friedrichshagener SV) und Leonie Faust (SV Lichtenberg 47) hat Inter außerdem auch an die Frischzellenkur gedacht – die beiden schnellen Youngster wurden bei Union ausgebildet. „Mir haben heute auch noch fünf Spielerinnen gefehlt“, sagte Inter-Coach Roman Kassarnig nach der nervenzerfetzenden Partie. Kurzum: Inter kam nicht unbewaffnet und das aktuelle Standing in der Tabelle ist eher überraschend als das erfolgreiche Aufmüpfen gegen den Favoriten. Einleitung Ende.

Der Borussia war die Inter-Aufstellung freilich egal. Clevere Raumaufteilung, sicherer Spielaufbau, gefährliches Flügelspiel – top-team-like legte die Ruß-Elf los und kam vor allem mehrfach über die rechte Seite durch, weil Außen Alex Friese gute Laufwege anbot und Caro Klausch ihr die Bälle maßgeschneidert durchschob. Was nach 20 Minuten der Drangphase auf der Habenseite stand, war freilich dünn: 0:0. Und Klausch stellte lautstark fest: „Wir sind vor der Kiste zu inkonsequent!“ Also kam es eben für Pankow so, wie es häufig im Fußball kommt. Inter wurde in der Offensive aktiver und durfte prompt jubeln. Von links wanderte in Strafraumhöhe der Ball ins Zentrum auf Barck, die hatte ein Auge für die rechts von ihr besser postierte Hagen und die wiederum donnerte die Kugel halbhoch in die linke Ecke. 0:1, 25 Minuten waren gespielt. Etwa zehn Minuten später musste Pankow schon den nächsten Tiefschlag verdauen. Halfenberg schlug einen Freistoß aus dem rechten Halbfeld in die Box, Julia Reicke rutschte der Ball über den Schlappen und ins eigene Tor (34.).
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Auf die fragenden Blicke ihrer Spielerinnen hatte Borussia-Coach Josi Ruß die zu diesem Zeitpunkt einzig richtige Antwort parat: „Weiter so spielen wie bis jetzt. Wir machen gar nichts falsch.“ Eine Planänderung nahm sie zum Seitenwechsel dennoch vor. Weil Monique Kerschowski derzeit „Körper“ hat, sollte sie eigentlich geschont werden. Nun musste sie dennoch ran, und das tat dem Pankower Spiel sofort gut. Über die rechte Seite kam die ehemalige Bundesliga-Spielerin angeflitzt und passte in den Rückraum. Adressatin Caro Klausch erwischte das Zuspiel zwar irgendwie auf dem falschen Fuß. Weil sie aber immer noch Zeit und Platz hatte, kickte sie die Kugel aus acht Metern Entfernung mit der Pieke in die linke untere Ecke. Ein Anschlusstreffer aus der Kategorie: Äußerst humorlos (49.).
Gerade jetzt, als die Borussia zum Halali blasen wollte, setzte Inter nach. Borussen-Torhüterin Sophia Kirchhoff unterband einen Konter mit einem Foul an der schnellen Leonie Faust an der Strafraumgrenze und durfte erleichtert durchblasen, wegen der Notbremse nicht vom Platz geflogen zu sein – es blieb bei gelb. Bestraft wurde die Aktion trotzdem – per feiner Freistoßvariante. Halfenberg täuschte den direkten Versuch an, beförderte den Ball aber stattdessen scharf an den Elfmeterpunkt. Faust kam angerauscht, nahm das Zuspiel mit und versenkte in die kurze Ecke zum 1:3 (60.).

Schon jetzt fing Pankow an zu schwächeln und spätestens, als Faust einen erneuten Konter zum 1:4 abschloss (71.) – Pankower Sympathisanten am Spielfeldrand schwörten Stein und Bein auf ihre Abseitsstellung – hätten sie hektisch mit ihren Wettscheinen gewedelt und Mörderquoten für ein Remis geboten, die geldgierigen Buchmacher aus dem Vorspann. Sie hätten es bereut, denn wie gesagt: Georgina Weinholz wollte sich nicht mit einer empfindlichen Niederlage abfinden.
Weinholz leitet turbulente Schlussphase ein
Pankows Sechser, wie ihre Teamkolleginnen Klausch und Lena Pflanz ohnehin blendend aufgelegt, gelangen innerhalb von fünf Minuten zwei Tore. Das erste, indem sie einem eher unkontrolliert, aber scharf in den 16er geschlagenen Ball die richtige Richtung gab, unten links schlug das Spielgerät ein. Weinholz war nun hellwach, holte im Sprint den Ball aus dem Inter-Netz. Und das rüttelte ihre Teammates wach. Zunächst wuchtete Weinholz selber den Ball aus halblinker Position und etwa elf Metern Entfernung in den rechten Knick des Kastens (80.), dann schob Klausch auch noch zum 4:4 ein (87.). Gute fünf Minuten wurde nachgespielt, in dieser Zeit mussten die Gäste dann sogar noch kräftig um den einen Punkt bangen. Drei ganz dicke Chancen hatte Pankow noch, unter anderem klatschte ein Versuch von Klausch an den Pfosten.

„Das ist richtig, da wäre die Partie beinahe komplett gekippt“, sagte Kassarnig nach dem heiß ersehnten Abpfiff. „In der Schlussphase hat die Borussia gezeigt, was sie in der Offensive auf dem Kasten haben.“ Von Ärger über einen eventuell verschenkten Sieg keine Spur. „Ich bin sehr zufrieden. Hier einen Punkt zu holen, das ist aller Ehren wert.“ Josi Ruß war zerknirscht, trotz furioser Aufholjagd: „Der Punkt ist vermutlich wichtiger für uns, als wir gerade denken. Aber unterm Strich bleibt das Ergebnis bitter“, sagte sie. „Unsere Abwehr war heute nicht auf dem Posten.“
Um in der Verlosung um den Aufstieg in die Regionalliga zu bleiben, muss Pankow nun das Nachholspiel am 24. März bei Lichtenberg und dann den direkten Vergleich gegen den FC Hertha 03 Zehlendorf zwingend gewinnen.
Titelbild: Frieda Barck, Cindy Hagen und Antonia Craven feiern Inters Führungstreffer zum 0:1. Foto: Matthias Vogel
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