Rießlers Demission bei Viktoria 1889 folgen unpopuläre Trainerwechsel
von Matthias Vogel
Der Abgang von Roman Rießler als Coach der Regionalliga-Elf des FC Viktoria 1889 Berlin hat dem Trainerkarussell im Berliner Frauenfußball ordentlich Schwung verliehen. Rießler selbst wechselte zum Ligakonkurrenten Hohen Neuendorf, seinen Platz in Lichterfelde nehmen nun zum einen die Übungsleiter des Klassenkameraden und Lokalrivalen SFC Stern 1900, zum anderen der bisherige Coach des SV Rot-Weiß Viktoria Mitte ein. Und das wirbelt eine Menge Staub auf.
Johannes Fritsch (28 Jahre) wechselt als Cheftrainer also ein Haus weiter. Im Schlepptau hat er eine ganze Entourage: Athletik-Coach Jacob Basche (35) bringt er mit vom Sterner, Timo Seifert (20) wird sich bei Viktoria um das Training der Torhüterinnen kümmern und als Co kommt Antonio Schmid (38), bislang Cheftrainer des frisch von Bäcker Corona gebackenen Berlin-Ligisten SV Rot-Weiß Viktoria Mitte mit an den Ostpreußendamm. Für die Himmelblauen womöglich ein Glücksfall, wenigstens aber eine zeitnahe Lösung für den so unvermittelt vakant gewordenen Trainerstuhl. Und Fritsch hat bereits jetzt schon eine klare Position: „Es war die richtige Entscheidung.“ Den ersten Test gegen die U 17 des Dauerrivalen 1. FC Union Berlin hat die neue Symbiose auch schon gewonnen: 3:0 siegte sein neues Team am Wochenende.

Fünf Kilometer entfernt spuckte der SFC Stern unter der Woche via FuPa.net Gift und Galle. In dem Bericht ist von Unverständnis und Enttäuschung die Schreibe, auch von einem „moralisch zweifelhaften Verhalten der beiden Trainer“. Die Enttäuschung kann Fritsch nachvollziehen. „Der Zeitpunkt war mehr als unglücklich, aber ja auch nicht frei wählbar.“ Als Gründe für den Wechsel kurz nach dem Start der Vorbereitung nennt er die sportliche Herausforderung. Genau die hätten Basche und ihm beim SFC nämlich zuletzt arg gefehlt und Fritsch beklagt: „Die Trainingsbeteiligung war uns einfach zu dünn.“
Eigentlich habe er kein Interesse an einer öffentlichen Schlammschlacht, sagt er. Was er nicht unkommentiert stehen lassen mag, ist die Zeile aus der Stellungnahme des Vereins, wonach der Wechsel zur Viktoria pikant sei, weil er für den NOFV, den für die Regionalliga Nordost zuständigen Verband, arbeite. „Ich hatte vor dem Engagement bei Stern mit meinem Arbeitgeber geklärt, ob es Interessenskonflikte geben könnte und wir sind übereingekommen, dass beides geht. Nach 16 Monaten bei Stern ohne Konflikte dürfte das nun nicht anders sein“, sagt der 28-Jährige. Darüber hinaus spiele diese Einlassung des Vereins ins Private hinein und ginge somit ganz klar unter die Gürtellinie.
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Nun ist es wie es ist. In Lichterfelde Aufbruchsstimmung, in Steglitz droht der Untergang. Am Sonntag unterlagen die Gelb-Blauen dem Berlin-Ligisten Borussia Pankow mit 2:5 (2:0) – nur elf Spielerinnen waren am Start. Für Sophie Armanious, die bei 1900 im Mannschaftsrat sitzt, nicht unbedingt ein Zeichen für den bevorstehenden Exodus. „Das ist sehr schwer gerade, das ist richtig. Und ich kann mir selbst nicht recht erklären, wie es in so kurzer Zeit so weit kommen konnte. Zusammen mit Harald Planer (Fritsch’s Vorgänger, Anm. der Red.) haben ein paar aufgehört und ein Jahrgang der B-Jugend fehlte, so dass niemand rauskam. Alleine daran darf es aber eigentlich nicht liegen“, konstatiert die Defensivkraft. „Ich kann nur sagen, dass wir alle noch sehr viel Bock auf die Liga haben und kämpfen wollen.“
Erstaunlich: Offenbar tummeln sich in der Berlin-Liga-Vertretung des Vereins mehr als 25 Spielerinnen in den Trainingseinheiten. Und auch, wenn davon sicher nur wenige Regionalliga-Niveau haben, warum bündelte und bündelt der Club nicht seine Kräfte und stemmt sich mit gut besuchten Übungseinheiten gegen den Niedergang? „Ich glaube schon, dass es zwischen den Trainern der Ersten und Zweiten Kommunikationsprobleme gab“, sagt Armanious. „Im Moment habe ich aber auch diesbezüglich ein gutes Gefühl.“ Die knappe 2:3-Niederlage im Test am vergangenen Mittwoch in Hohen Neuendorf gibt ihr Recht. Der Torwart-Trainer der Zweiten war mit dabei, um Michael Lindemann, Partner einer Spielerin aus der Ersten beim Coaching zu unterstützen, auch einige Spielerinnen aus der Berlin-Liga-Elf von Trainer Jens Freikowski halfen aus. Dazu habe der Verein nun die Stelle ausgeschrieben. „Und ab kommender Woche leitet übergangsmäßig der Trainer unserer 1. Herrenmannschaft das Training“, so Armanious.
Verbrannte Erde auch in Mitte
Ein wenig verbrannte Erde hinterlässt auch Antonio Schmid bei Viktoria Mitte. Auch er lässt seine Mannschaft, die gerade auch noch aus Corona bedingten Umständen aus der Landesliga in die Berlin-Liga aufgestiegen ist, quasi im Stich. Auch er verstehe die menschliche Enttäuschung, die von seiner Entscheidung herrühre. „Aber er sei mit dem Verein im Reinen und freue sich nun unheimlich auf die neue Aufgabe. „Bei Viktoria Mitte habe ich mir alles selber aneignen müssen. Jetzt kann ich von Johannes‘ Wissen profitieren und mich als Trainer weiterentwickeln.“ Dort droht zumindest keine Abwanderung von Spielerinnen. „Lediglich“ ein neuer Trainer muss gefunden werden. Spartenchef Elias Bouziane hörte sich diesbezüglich schon wieder ganz positiv an: „Wir haben drei Lösungen, die infrage kommen. Darüber lassen wir in Kürze die Frauen abstimmen.“
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