Ring frei! Die Viki-Girls und Henstedt-Ulzburg lechzen nach Profitum
von Matthias Vogel
Bis zu 36 Grad im Schatten prophezeit der Berliner Wetterfrosch für Sonntag, 20. Juni. Nicht der einzige Grund, warum ab 14 Uhr im Stadion Lichterfelde die Luft brennen wird. Die Fußballerinnen des FC Viktoria 1889 Berlin empfangen den SV Henstedt-Ulzburg und es geht nicht um weniger als den Aufstieg in die 2. Bundesliga.
Groß war die Freude im Lager der Viki-Girls, als bekannt wurde, die Leistung aus der früh wegen der Corona-Pandemie abgebrochenen Regionalliga-Saison würde zur Teilnahme an der Aufstiegsrelegation berechtigen. Von allen Teams der beiden Nordost-Staffeln wies die Viktoria den besten Punktekoeffizienten auf. Der Magdeburger FFC hatte als Tabellenführer der Süd-Staffel noch Einspruch eingelegt und auf ein Entscheidungsspiel gedrängt – vergeblich.

Die Freude erhielt dann einen ordentlichen Dämpfer aufgeschraubt, als der Verein kurz darauf bekanntgab, er und Roman Rießler, sieben Jahre lang für die sportlichen Geschicke der Viktoria verantwortlich und maßgeblich an der Erfolgsgeschichte des Frauenfußballs beim FC beteiligt, würden fortan getrennte Wege gehen – aus privaten Gründen. Mehr drang nicht durch und über konkrete Ursachen für die überraschende Trennung zu spekulieren, machte angesichts der fortgeschrittenen Zeit etwa so viel Sinn wie während einer laufenden EM eine Diskussion in Gang zu setzen, was künftig unter Hansi Flick als Bundestrainer alles anders werden sollte.
Nur noch fünf Wochen Vorbereitungszeit auf das morgige Hinspiel der Relegation waren nämlich übrig, als Sportdirektor Rocco Teichmann Rießlers Nachfolger aus dem Hut zauberte: David Pietrzyk, 31 Jahre alt, Co-Trainer der Viktoria-Männer. Der Interimstrainer krempelte in der verbliebenen Zeit erst einmal das Spielsystem um und widmete folgerichtig viel Zeit der taktischen Schulung der Viki-Girls. „Daran haben wir wirklich intensiv gearbeitet“, sagte er am vergangenen Mittwoch nach dem einzigen Testspiel der Vorbereitung gegen die U19-Landesauswahl des Berliner Fußball-Verbandes.

4:1 (4:0) hatte die Viktoria nach holprigem Beginn die Partie gewonnen. Eine Ecke von Anina Sange boxte sich die BfV-Torhüterin selber in die Maschen, eine Maßflanke von Selina Grosch veredelte Danya Barsalona per Kopf zum 2:0, Neuzugang Katharina Geßmann (Hegauer SV) markierte nach einer sehenswerten Kombination über Marlies Sänger, Jule Reh und Barsalona ihren ersten Treffer für Himmelblau zum 3:0 und Vanessa Lux bugsierte nach einer Freistoßflanke aus dem Halbfeld von Sange den Ball halb per Kopf, halb per Schulter zum 4:0 über die Linie. In der Schlussminute betrieb Megan Reichennbach (1. FC Union Berlin) noch Ergebniskosmetik. Pietrzyk waren die Startschwierigkeiten nicht entgangen, Sorgen machten sie ihm nicht. „Weil wir von Minute zu Minute stärker wurden. Und dass am Ende der Partie bei den ganzen Wechseln der Faden ein wenig verloren ging, ist normal.“
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Jetzt aber! Zwei Spiele, Europacup-Modus, im Erfolgsfall springt ein dicker fetter Eintrag in die Vereinschronik und das Abenteuer 2. Bundesliga heraus. Zuversichtlich und voller Vorfreude blicke er dem morgigen Spiel und dem Rückspiel eine Woche später bei Henstedt-Ulzburg entgegen. Er wisse zwar um die mentale Stärke des Gegners, schließlich habe er sich im Rückspiel der Qualifikation gegen Hannover 96 per Last-Minute-Treffer ins Elfmeterschießen gerettet und das dann gewonnen. „Das sagt schon etwas aus über die Moral einer Mannschaft. Dazu hatten sie drei Spiele unter Wettbewerbsbedingungen, das macht Henstedt-Ulzburg zum leichten Favoriten. Wir haben allerdings auch ein charakterstarkes Team und ich denke, es wird schon ein Vergleich auf Augenhöhe“, so Pietrzyk. Auch die Viki-Girls selbst scheinen optimistisch. „Es war schon zu spüren, dass wir das unbedingt wollen“, fasste Kapitänin Stephanie Gerken die Vorbereitung nach dem Testspiel zusammen.

Wie die Viktoria haben auch die Schleswig-Holsteiner ihre „Spione“ losgeschickt, um den Gegner zu beobachten. „Trotzdem“, sagte SV-Coach Christian Jürrs, „da treffen zwei Mannschaften aufeinander, die sich kaum kennen. Es wird spannend.“ Die Gäste müssen auf ihre Top-Torjägerin Alina Witt und Kapitänin Malin Hegeler verzichten, „beide haben sich quasi pünktlich zum Start der Vorbereitung auf diese beiden Partien verletzt.“ Sie seien nicht wirklich adäquat zu ersetzen, allerdings habe seine Elf es gegen Hannover mit großem Einsatz und Kampf versucht und ganz gut hinbekommen.
Der FC Viktoria 1889 Berlin hat auf seiner Internetseite betont, wie ernst es ihm mit dem Aufstieg ist, welch großen Stellenwert der Frauenfußball im Verein habe. Die Himmelblauen wollen also zupacken. Und auch für Henstedt-Ulzburg wäre der Aufstieg mehr als die Kirsche auf der Sahnetorte oder ein bloßes „Nice-to-have“. „Wir wollen das schon auch unbedingt“, sagt Jürrs. Im vergangenen Jahr habe man sich sportlich zwar qualifiziert, sei aber strukturell noch nicht so weit gewesen. „Das wäre nicht gesund gewesen. Das sieht jetzt aber ganz anders aus. Mehr Spannung kann eigentlich nicht versprochen werden.
Es sind bis zu 800 Zuschauer:innen zugelassen. Alle Anwesenden müssen einen negativen Schnelltest vorweisen (bzw. vollständig geimpft oder genesen sein). Tickets gibt es ausschließlich an der Tageskasse (Ticketpreis: 5 Euro, 3 Euro ermäßigt und Mitglieder). Die zwingend notwendige Anwesenheitsdokumentation erfolgt per Luca-App (Alternativ kann der Gesundheitsfragebogen ausgedruckt und ausgefüllt mitgebracht werden.). Alle Zuschauer:innen sind zum Tragen einer medizinischen Maske verpflichtet, die nur am Platz abgenommen werden darf. Anwesende haben jederzeit darauf zu achten, den Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten.
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