Nächster Halt: Playoffs!

von Matthias Vogel

Im Stadt-Duell um drei sehr wichtige Zähler für den weiteren Verlauf der Regionalliga-Saison haben sich die Fußballerinnen von Türkiyemspor Berlin den Frust aus den beiden jüngsten Partien buchstäblich von der Seele geknallt. Urplötzlich kam der Kreuzberger Express in Fahrt, sieben Mal schlug es im Gehäuse des Gastes SFC Stern 1900 ein, damit war wahrlich nicht zu rechnen.

An was hängt der Schmierfink die Geschichte zu so einer Partie auf? Am Hattrick von Türkiyem-Evergreen Sanna El-Agha, der den Sternen blitzartig das Leuchten nahm? Am Wechselbad der Gefühle, in das Sterns Trainer Johannes Fritsch in dieser Saison permanent getaucht wird? An einer einseitigen Partie, obwohl aufgrund der jüngsten Ergebnisse beider Teams ein Vergleich auf Augenhöhe zu erwarten stand? Oder an Sterns letzter Frau Nicole Bartholdi, die einem letztendlich einfach unheimlich leid tun musste? Er könnte es doch mal mehrgleisig probieren…

Ob am Boden oder in der Luft: Türkiyemspor war obenauf. Foto: Matthias Vogel

Gleis 1: Da läuft diese seit gefühlt einer halben Ewigkeit alle Gegner nervende Türkiyem-Stürmerin doch tatsächlich schon humpelnd auf’s Feld und vergibt erst zwei Großchancen kläglich, um dann mit einem echten Highlight das 2:0 zu besorgen (35.). Im Mittelfeld erobert sie sich den Ball, lässt klatschen, der Ball wird Yaren auf links in den Lauf gesteckt. Türkiyemspors blendend aufgelegte Spielmacherin flankt nach innen und findet damit? Ganz genau: El-Agha, die mittlerweile auf den zweiten Pfosten gesprintet ist. Der Rest ist für die Torjägerin Formsache, per Kopf trifft sie zum 2:0 ins Kreuzberger Glück. Eigentlich sind die Steglitzerinnen, die bis dato die Begegnung ausgeglichen gestalten konnten, jetzt schon merklich bedient. El-Agha will aber nach Wiederanpfiff unbedingt den „Sudden Death“ für Stern. Innerhalb von nur einer Minute schnürt sie einen Doppelpack zum 4:0 (46.), fightet danach noch beherzt nach jedem Ball, ehe Coach Murat Dogan sie vom Feld nimmt. „Ich habe mir zuhause die Hüfte angehauen, deshalb hatte ich Schmerzen“, gibt die dreifache Torschützin zu Protokoll. „Aber was soll ich sagen – drei Tore. Die alte Frau kann es noch!“

Gleis 2: Sterns Coach Johannes Fritsch muss sich gerade fühlen wie nach einem Saunagang bei 90 Grad, dem folgenden Sprung in das Kältebecken, und das Ganze zweimal am Stück. Starke Leistung seiner Elf im Pokal gegen den FC Viktoria (2:3), Klatsche zuhause gegen Union (0:7), toller Auftritt bei Hohen Neuendorf (5:2) und jetzt wieder ein Debakel. Immer dann, wenn er an einen Fortschritt seiner zu Beginn der Saison neu zu formierenden Mannschaft glaubt, bekommt er den Dämpfer aufgeschraubt. Bei Türkiyemspor sinken die Köpfe seiner Elf nach dem zweiten Gegentreffer merklich eine Etage tiefer, dazu brechen die schnellen Außen der Gastgeber viel zu häufig über seine rechte Abwehrseite durch.

Gleis 3: Nach dem überzeugenden Sieg der Sterne in Hohen Neuendorf und dem 6:1-Triumph der Dogan-Truppe gegen den FC Rostock sind die 150 Zuschauer im Katzbach-Stadion in freudiger Erwartung auf ein heiß umkämpftes Match. Zunächst sieht es auch danach aus, Stern verteidigt gut und muss sogar dringend in Führung gehen. Kimberly Lange vergibt nach perfektem Zuspiel von Maria Kleinfeld von der linken Seite aus nächster Distanz, der Nachschuss wird ebenfalls geblockt. Das Unglück für Stern nimmt seinen Lauf, als Aylin Yaren auf halbrechter Position die Tiefe anläuft. Der Chip auf sie ist eigentlich ungenau, doch Innenverteidigerin Alina Cibusch, nach ihrer Baby-Pause zum ersten Mal in der Startelf, säbelt über den Ball und kommt dabei zu Fall: Yaren hat alle Zeit der Welt, um alleine vor Bartholdi die Kugel aus ihrer Sicht links unten im Tor zu verstauen (29.).

Kaum in den Griff zu bekommen für Stern war Türkiyemspors Talent Leyila Aydin. Foto: Matthias Vogel

Ab diesem Zeitpunkt sind die Verhältnisse geklärt. Nach dem 2:0 durch El-Agha erlischt die Steglitzer Gegenwehr dann noch ein Stück weiter, bis zum Ende bekommt die Fritsch-Elf keinen Zugriff mehr auf das Mittelfeld der Gastgeberinnen und die junge Außenstürmerin Leyila Aydin. Immerhin erspielt sich Stern nach tollem Spielzug noch einen „Riesen“: Kimberly Lange bedient beim Stande von 5:0 von der der rechten Grundlinie aus Anne-Kathrin Seifert, ihr Schuss prallt von der Unterlatte zurück ins Feld. Das vertuscht natürlich nicht: Sterns Gegentore fallen viel zu einfach und wie reife Früchte.

„Die machen immer dasselbe!“

Das ist auch der Grund, warum Nicole Bartholdi lautstark auf dem Gleis 4 einfährt. „Habt ihr es endlich kapiert? Die machen immer dasselbe. Macht den Rückraum zu!“, wettert sie nach dem 5:0 von Erika Szuh (48.) durch das Katzbach-Stadion. Recht hat die wütende 1900-Keeperin schon, zu viele Tore fallen nach Angriffen über die Flügel, die von völlig frei stehenden Adressatinnen am zweiten Pfosten in aller Ruhe veredelt werden können – hier von Szuh, vorher von El-Agha. Bartholdis persönliches Waterloo machen dann noch eine Kopfball-Bogenlampe von Kate Robinson nach einem Szuh-Freistoß aus dem linken Halbfeld (71.) und ein Treffer der eingewechselten Senanur Yavuz perfekt (89.).

Sinnbild: Stern – hier Kerstin Gohlke (re.) gegen Lara Wagner – kam viel zu oft einen Schritt zu spät. Foto: Matthias Vogel

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass der Leiter der „Bahnhofs“ an der Dudenstraße mit dem heutigen Verkehr zufrieden war. „Es gab Phasen, da hätte Stern treffen können. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass wir diese Partie aus der Hand geben könnten“, sagte Türkiyem-Coach Dogan. „Wir wollen immer noch die Playoffs erreichen. Aber wenn wir das nicht schaffen, ist das kein Weltuntergang.“

Dank des Kantersieges hat sich Türkiyemspor vor der Corona-Pause zumindest auf Platz 4 des aktuellen Tableaus der Staffel Nord geballert. Der Kurs steht damit auf Playoffs.


Türkiyemspor – SFC Stern 1900 … 7:0 (2:0). Türkiyemspor: Gündogdu, Wagner (69. Robinson), Badem (76. Fabarius), Gerezgiher (76. Toktas), El-Agha (63. Turac), Solmaz, Michalke, Szuh, Yaren, Aydin (76. Yavuz), Hartwig. Sterne: Bartholdi, Göttfried, Gohlke, Kleinfeld, Gaese (69.Patz), Nowak (69. Miethke), Schulze (57. Dewjatkina), Seifert, Boldt, Cibusch (46. Schröder), Lange. Tore: 1:0 Yaren (29.), 2:0. 3:0, 4:0 El-Agha (35., 46., 46.), 5:0 Szuh (48.), 6:0 Robinson (71.), 7:0 Yavuz (89.). Schiedsrichtergespann: Sabrina Frischmuth, „Adlerauge“ Sarah Richter, Niklas Schwietz. Fans: 150.

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von Anders Noren.

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