Von Matthias Vogel
An diesem Pokalabend hätte wirklich alles passieren können: Klarer Sieg für die Viki-Girls nach 90 Minuten, Triumph der Sterne nach Verlängerung oder eine Entscheidung über das Glücks- und Nervenspiel namens Elfmeterschießen. Am Ende hatten die Fußballerinnen des FC Viktoria 1889 Berlin nach zwei Stunden Spielzeit mit 3:2 das bessere Ende für sich.
Ein derartig „fancy“ Menü bekommt der Fußballfan nur selten aufgetischt. Hier der Favorit FC Viktoria, dominant ja, zwingend nein, einfach nicht so gedankenschnell wie sonst. Dort ein von Trainer Johannes Fritsch blendend eingestellter SFC Stern 1900, unheimlich kompakt – es war von Beginn an spürbar, dass sich das 0:8-Debakel aus dem Ligabetrieb vor zwei Wochen nicht wiederholen sollte. Das gelang, Stern rettete sich beherzt in die Verlängerung, aber nicht mehr ins Elfmeterschießen. Das Spiel war nicht allzu gut, dafür gab es jede Menge kuriose Kisten zu bestaunen.

Draußen auf den Rängen war man sich schließlich uneins. Hätte es das überragend kämpfende Team vom Sterner nicht verdient gehabt, das finale Drama noch zu erreichen? Oder passte es so wie es kam, weil die Bilanzierung der Viktoria zwar Sand im Getriebe aufwies, aber eben auch zahlreiche hochkarätige Chancen? Die Partie lebte jedenfalls von der Spannung, für reine Fußball-Ästheten war sie eher weniger geeignet.
Eine im Vergleich zum Ligaspiel vor zwei Wochen amtlich umgestellte Sterner Elf war von Beginn an wach, hielt das Zentrum kompakt und war bissig in den Zweikämpfen. Dennoch hätte das Spiel gleich in der dritten Spielminute einen anderen Charakter bekommen können. FC-Stürmerin Hülya Kaya war durch, visierte halbrechts von der Strafraumkante aus das kurze Eck an – der Ball strich rechts am Tor vorbei.

Überhaupt waren es die Anfangsphasen beider Halbzeiten, in denen die Gastgeberinnen jeweils das Spiel hätten klar für sich entscheiden können. Nach Kaya patzte Corinna Statz nach flacher Bilderbuch-Ablage von Marlies Sänger, die sich über rechts durchgetankt hatte und den Ball in den Rückraum kickte. Der Statz`sche Schuss war zu harmlos und landete sicher in den Armen der 1900er-Torhüterin Nicole Bartholdi (11.). Zwei Minuten später köpfte Statz eine Ecke von Anina Sange knapp über das Tor. Auch der dritte Streich von ihr blieb ohne Erfolg, dieses Mal zog sie von der linken Seite nach innen, verlud dabei zwei Sterner Defensivkräfte und zog ab: Bartholdi parierte den zu zentralen Schuss ohne Mühe (25.).
Stern machte es sehr geschickt, stand mit der Kette bei Anlass sehr hoch, war in Ballnähe immer mit ausreichend Belegschaft vertreten, doppelte konsequent und hielt dank unheimlich viel Laufarbeit die Abstände zwischen den Spielerinnen gering. Einige der wenigen Lücken im Spiel durch das Zentrum nutzte Sange dennoch für einen Zuckerpass auf Kaya. Viktorias Top-Stürmerin machte sich auf die Socken, zwang Bartholdi per Schussfinte auf den Boden, verlud noch eine nacheilende Abwehrspielerin, nur um dann den Ball rechts am leeren Tor vorbeizuschieben (49.).
Boldt hat die Führung auf dem Fuß – Rießlers Puls ist auf 200
Als dann nur eine Minute später ein Sterner Steilpass durch die Lichterfelder letzte Reihe flutschte und Alexia Boldt alleine vor Viki-Keeper Julia Haake frei zum Schuss kam – Haake parierte blendend -, platzte Coach Roman Rießler der Kragen: „Wollt ihr endlich aufwachen?“, brüllte er durch das Stadion Lichterfelde. Ja, ja, das wollten sie sicher. Nur der Tag war ein wenig gebraucht für den Favoriten. Nächstes Indiz lieferte erneut Kaya. Sänger kam wieder einmal über die Seite angeflitzt, Kaya wuchtete ihren Rückpass aus etwa zwölf Metern Distanz in den verregneten Lichterfelder Nachthimmel (59.).

Was folgte, war ein bisschen hohe Fußballkunst. Erst versemmelte Beslinda Shigjeqi noch die nächste Großchance für die Viktoria. Dann aber: Marlies Sänger, mittlerweile auf die linke Offensivseite gewechselt, bekam aus dem rechten Halbfeld einen Flugball in die Nahtstelle der Sterner Abwehrreihe serviert. Vikis Beste an diesem Tag nahm unter Druck den Ball perfekt in den Lauf an, ging cool an Bartholdy vorbei und markierte das 1:0 (75.).
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Klammer der Endphase auf: Fußballkunst aus, Pokal an: Das stark aufspielende Ex-Viki-Girl Maria Kleinfeld hebt von der linken Seite aus 30 Metern Distanz die Kugel in Richtung FC-Gehäuse, der Ball senkt sich über Haake hinweg in die Maschen: 1:1 (83.), Verlängerung. Sänger passt nach einem weiteren ihrer unzähligen Flügelläufe den Ball ins Zentrum und die eingewechselte Sarah Patz lenkt den Ball entgegen Bartholdis Laufrichtung den Ball ins eigene Netz (92.). Nun wird es ganz kurios: Kimberly Lange gleicht mit einer Kopie von Kleinfelds Treffer erneut aus, nur von der rechten Seite (96.) aus. Stern wird aktiver, scheint per Eckenserie das Momentum auf seiner Seite zu haben. Und dann passiert ausgerechnet der besten Steglitzerin an diesem Tag – Nicole Bartholdi – der Fauxpas des Tages. Der Steckpass von Selina Grosch für Shiqjeqi ist zu lang, Bartholdi ist zur Stelle. Doch der Ball entgleitet ihr wieder und das lässt sich Shigjeqi nicht entgehen: 3:2 – Der Fisch ist für die Viktoria in der Dose, Klammer zu.

Sterns Coach Johannes Fritsch wusste am Ende der Pokalschlacht nicht so recht, ob er sich nun freuen oder trauern sollte. „Wir haben uns enorm gesteigert, Leistung und Mentalität meiner Mannschaft haben mich heute zutiefst beeindruckt. Wir haben nicht mehr so gespielt wie ein Absteiger der Regionalliga. Aber es tut mir leid für die Mannschaft, dass wir auf dem Papier erneut mit leeren Händen dastehen. Ein Elfmeterschießen wäre natürlich super interessant geworden.“ Viki-Coach Roman Rießler war mit der Leistung seiner Mannschaft generell nicht zufrieden: „Wir haben gegen diesen kompakten Gegner nicht breit genug gespielt. Die gesamte Mannschaft, mit Ausnahme von Marlies Sänger, war heute nicht ganz auf der Höhe. Auf der anderen Seite zeichnet das Team auch aus, das sie das Ding gemeinsam trotzdem gewinnt. Stern hat hier alles rausgehauen, aber nur wir hatten dicker Torchancen, deshalb denke ich, dass der Sieg auch verdient ist.“
FC Viktoria 1889 Berlin – SFC Stern 1900 … 3:2 (0:0) n. V.. Mit Sand im Getriebe: Haake, Statz (106. Steinmeyer), Dey, Fandre, Agac, Reh (46. Grosch), Sange (65. Shigjeqi), Lux, Sänger, Gerken, Kaya. Stark verbessert: Bartholdi, Göttfried, Gohlke, Kleinfeld, Nowak, Schulze, Armanious, Seifert, ?, Boldt, Lange. Auch stark verbessert: Patz, Gaese, Breitsprecher, Dewjatkina, Selmke. Tore: 1:0 Sänger (75.), 1:1 Kleinfeld (83.), 2:1 Patz (92., ET), 2:2 Lange (96.), 3:2 Shigjeqi (116.). Schiedsrichter: Kevin Sonder. Zuschauer: Jup.
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