Schlussakkord in Moll

von Matthias Vogel

Sportlich war einfach nichts zu löten, aber die Bühne war reif für die Bundesliga. 0:9 (0:3) unterlagen die Berlin-Liga-Fußballerinnen des BSV GW Neukölln dem SV Meppen in der ersten Runde des DFB-Pokals vor 430 Zuschauern. „Schon alleine diese Kulisse war großartig, wann hat man das schon mal?“, sagte Neuköllns Spielführerin Chantal Brück nach der Partie. „Und ich finde, wir haben uns gut verkauft.“

Neue personalisierte Trikots, die in der Kabine auf den Plätzen liegen. Fast Englischer Rasen, das Wetter ist nicht zu heiß oder zu kalt, ein Stadionsprecher, der die Startaufstellung zelebriert und richtig Gas gibt. Jede Menge grün-weiße Ersatzbälle sind rund um den Platz verteilt, ein kompetentes Schiedsrichtergespann eingeteilt und der frisch gebackene Bundesligist SV Meppen zu Gast – Neuköllner Fußballerinnen: Was wollt ihr trotz Niederlage mehr? Vermutlich nichts an diesem Tag, zu stark war er, der Gegner. Ihr Coach Norbert Sengstock tickte direkt nach der Partie ein wenig anders: „Na ja, ich hätte die schon gerne ein wenig länger geärgert“, beschrieb er seine Gefühlslage, weil das – sinngemäß – eben die Basis für eine Pokalsensation gewesen wäre.

Laura Waibel hatte wie alle Neuköllnerinnen Schwerstarbeit zu verrichten, hier hat sie es mit Alexandra Emmerling zu tun. Foto: Matthias Vogel

Daraus wurde nichts. Sieben Runden hatte der Sekundenzeiger gedreht, da schlug der Bundesligist auch schon zu. Im Zuge eines Konters machte sich die auffällige Jannelle Flaws aus dem Staub, umkurvte Neuköllns Keeperin Lisa Schrama und schob zur Führung ein. Flaws war es auch, die nach einer weiteren halben Stunde Spielzeit, in der die Sengstock-Elf aufopferungsvoll kämpfte und tatsächlich weniger Chancen zuließ als erwartet, das 0:2 erzielte. Beatrice Goad erhaschte auf halblinker Position einen Ball aus der Tiefe, spurtete der hoch aufgerückten Neuköllner Viererkette davon und legte quer auf Faws. Die verlud Schrama erneut und netzte ein (37.).

Sengstock: „Das sind Anfängerfehler“

„Nur das 0:3 ärgert mich heute wirklich“, sagte Sengstock später. Meppen hatte sich angeschickt, eine Ecke kurz auszuführen. Und er habe doch schließlich rechtzeitig „gebrüllt wie ein Ochse“, damit da gefälligst jemand aus seiner Elf rausrücke, doch nichts sei geschehen. Die ungestörte Maßflanke landete dann auf dem Kopf von Toma Ihlenburg und von dort im Netz (41.). „Das sind Anfängerfehler“, schimpfte der Coach.

Dennoch: Nur drei Gegentore zur Pause gegen einen um drei Klassen stärkeren Gegner, damit durfte der BSV in gleichem Maßen zufrieden sein, wie der Trainer des SV Meppen damit unzufrieden sein musste. „Das war holprig zu Beginn, das gebe ich zu. Ich wollte in der zweiten Hälfte eine Leistungssteigerung sehen, und ich habe sie gesehen. Wir waren zunehmend präsenter, auch weil bei Neukölln die Kräfte nachließen“, sagte Theodoros Dedes, Trainer der Gäste-Elf.

Fleißig und giftig – aber auch Neuköllns Spielgestalterin Alina Kapheim musste sich der körperlichen Überlegenheit des Bundesligisten beugen. Foto: Matthias Vogel

Die Tore fielen in der zweiten Hälfte tatsächlich wie reife Früchte. Doch spätestens nach dem 0:4 war das für Grün-Weiß nebensächlich. Der Ehrentreffer musste her, trotzdem verschaffte Sengstock noch allen Spielerinnen des Kaders Einsatzzeit in diesem so besonderen Spiel. Dafür heimste er ein dickes Lob seiner Spielführerin Brück ein: „Das hat er super gemacht. Alle kamen zum Zug, und zwar nicht nur drei Minuten.“

Mit dem Tor klappte es dann leider nicht. Die Fans mussten sich mit ihrem Gegröle auf gewonnene Zweikämpfe, die einzige Ecke durch Nele Becker, die durchaus zum Torerfolg hätte führen können, wenn am blanken zweiten Pfosten eine Kollegin gelauert hätte, eine erfolgversprechende Pressing-Aktion von Becker, Lück und der fleißigen Alina Kapheim sowie einem galanten Purzelbaum von Susan Hornung beschränken. Die Innenverteidigerin rollte Mitte der ersten Halbzeit zur großen Freude des Publikums galant neben dem Pfosten ab, nachdem sie einen wegen Abseitsstellung ohnehin aberkannten Meppener Torschuss noch im Weg war. „Ich war mal Turnerin, das war ein Reflex“, kommentierte sie lapidar.

Olè olè: Ecke, Pressing, Purzelbaum!

Der Schlussakkord der Neukölln’schen Pokal-Symphonie erklang unterm Strich so wie erwartet. Es war trotzdem eine unglaubliche, vielleicht einzigartige Reise für den Berlin-Ligisten, es war das erhoffte Fußball-Fest und dass nun Ende Gelände ist, hat keinen Frust ausgelöst. „Ich bin froh, dass dieser Stress vorbei ist. Auch wenn das hier und heute eine geile Geschichte war“, sagte etwa Neuköllns Mittelfeld-Ass Laura Lücke. Obwohl Meppen im ersten Abschnitt unter den Erwartungen blieb, zollte sie den Gästen größten Respekt. „In der Berlin-Liga gibt es in jedem Team vier bis fünf Spielerinnen, auf die man aufpassen muss. Bei Meppen kann halt jede alles.“ Brück war ebenfalls beeindruckt: „Ich komme ja durchaus eher über Zweikampfhärte als über Technik. Aber wenn ich heute eine von Meppen am Arm halten wollte, hat die mich einfach mitgeschleift“, sagte sie und lachte. Sengstock hatte sich mittlerweile bei einer Hopfenkaltschale beruhigt: „Der Einsatz hat gepasst und dieses Pokal-Spiel nimmt euch keiner mehr“, rief er einer Spielerin zu.

Brück hatte jedenfalls Recht: Neukölln hat sich gut verkauft. Die Sengstock-Elf startet am kommenden Wochenende zuhause gegen den FC Internationale in den Liga-Alltag. Da heißt es dann sicher, sich neu zu fokussieren. Und der SV Meppen? Hat er sich warm geschossen für den kommenden Vergleich in der Flyeralarm-Bundesliga mit dem Champions League-Finalisten VfL Wolfsburg? Theodoros Dedes lacht. „Ich denke, wir müssen eher aufpassen, dass die sich gegen uns nicht warmschießen.“


BSV GW Neukölln – SV Meppen 0:9 (0:3). Neuköllner Pokal-Squad: Schrama – Becker, Gesche, Hornung, Bratschke – Lück, Brück – Höhns, Kapheim, Waibel – Aust. Squad-Mates: Kennin, Schmalbein, Canning, Brelle, Scheidemann. SV Meppen: Sieger, Krug, Rolfes, Ihlenburg, Goad, Bitzer, Schulte, Emmerling, Endemann, Winter, Flaws. Meppen-Backup: Weiss, Fullenkamp, Gismann. Tore: 9. Unaufgeregtes Schiedsrichter-Gespann: Miriam Schwermer, Jennifer Schubert, Dieckmann. Zuschauer: 432 000 (laut Stadionsprecher).

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