Die Borussia bläst zur Titeljagd

von Matthias Vogel

Manchmal muss man als Fußball-Coach auch mal Glück haben. Josi Ruß, Trainerin der Frauen von Borussia Pankow, hatte es in der Sommerpause: Starke Neuzugänge überkompensierten den Verlust von drei Spielerinnen. Die Kaderstärke beträgt nun rund ein doppeltes Dutzend und wenn den Borussinnen jetzt noch eine zweite Torhüterin zufliegt, nimmt Ruß das Blatt vor dem Mund komplett weg: „Dann traue ich uns zu, Berliner Meister zu werden.“

Wie lässt es sich anders als mit „Glück“ umschreiben, wenn einem in Sabrina Schrader und Hannah Hetzer nicht nur zwei ehemalige Berolinas zufliegen, sondern plötzlich auch Lily Owour – eine Spielerin aus Kenia mit Natio-Erfahrung in der Heimat – am Spielfeldrand in der Pichelswerder Straße auftaucht und nach Babypause ausgerechnet für Pankow wieder der Kugel nachhetzen möchte oder Jullien Ramirez, kanadische Nationalspielerin, ungefragt ein Bomben-Bewerbungsvideo bei der Borrussia einreicht? Dazu schnürt Josis Frau Lucie Ruß, geborene Müller, wieder die Fußballschuhe – ebenfalls nach Babypause, und auch Georgina Weinholz, einst beim BSC Marzahn und zuletzt bei Lichtenberg 47 am Ball, trägt in der kommenden Spielzeit leuchtgrün. Und es könnte noch dicker kommen für die Konkurrenz, denn Pia Gellermann vom TSV Limmern und die ehemalige U-Nationalspielerin Monique Kerschowski (32) trainieren bereits mit bei Ruß. „Die Tinte unter dem Mitgliedsantrag ist aber noch nicht trocken“, sagt die Trainerin.

Aus Schmerzen wird ein Zwicken

Dieses Glück sei doch der Borussia vergönnt. Es geht schließlich auch um die Gesundheit der Trainerin. Die hatte zunächst nämliche tierische Bauchschmerzen, weil sie nicht mehr auf Rebecca Gabriel (Karriereende), Theresa Kiszler (SC West Köln) und Sigrun Senska (Richtung Hamburg) zurückgreifen kann. Das Abspringen von starkem Personal aus dem Transfer-Karussell punktgenau in Pankow wirkte auf die Trainerin daher wie ein guter Kräuterlikör nach einem fettigen Essen. „Wenn ich mit dieser Belegschaft nicht um den Titel mitspielen wollen würde, wäre ich fehl am Platze“, sagt sie.

Caro Klausch (re.), Kopf des Pankower Spiels, will nach der bevorstehenden Saison unbedingt den Berliner Meistertitel im Trophäenschrank stehen haben. Foto: Matthias Vogel

Mit Recht, denn schon in der ursprünglichen Besetzung zählte die Borussia in den vergangenen Jahren entweder zu den Top-Teams der Berlin-Liga oder war zumindest immer in der Lage, selbige zu schlagen. Ein bisschen zwickt es dennoch noch in der Ruß’schen Magengegend. „Wir haben nur eine Torhüterin. Auf der Position brauchen wir unbedingt noch Verstärkung“, sagt sie. Demnächst werde sie einige Gespräche mit möglichen Kandidatinnen führen, spruchreif sei allerdings noch nichts.

Noch zwei richtungsweisende Tests

Der erste Test gegen eine eingespielte und erfahrene Regionalliga-Elf von Blau-Weiß Hohen Neuendorf ging mächtig in die Hose. Mit 0:11 ging die Borussia baden. Gegen den Brandenburgischen Landesligisten SV Grün-Weiß Brieselang, der sich über den Saisonwechsel unter anderem mit Top-Torjägerin Nicole Hansen von Babelsberg 03 verstärkt hat, drehte das neue Pankow einen 0:2-Rückstand noch in einen 4:3-Sieg. „Das war schon eine ganz andere Nummer“, sagt Ruß. Und: „Lily Owour wird immer besser und auch Georgina Weinholz wird uns gut tun.“ Jetzt stehen noch Tests gegen die zweite Garnitur des FC Viktoria 1889 Berlin und – sozusagen als Generalprobe – den Neu-Regionalligisten Türkiyemspor auf der Agenda. Danach, so Ruß, wisse sie zum einen besser, wo ihr Team tatsächlich stehe, zum anderen dürfte es für den Saisonstart gut gerüstet sein.

Für die Harmonie eines Orchesters ist der Dirigent verantwortlich. Das weiß Ruß und sie glaubt, dass es schwierig für sie werden wird, die Einsätze zu moderieren und alle in dem erstmals so großen Kader bei Laune zu halten. „Da hat man ja als Coach immer die A-Karte, spätestens wenn eine verdiente Spielerin mal auf die Bank muss“, sagt sie. Aber freilich ist es auch besser so für sie, als zu wenig Qualität im Kader zu haben. Die Konkurrenz – Ruß zählt die üblichen Verdächtigen Union II, Hertha Zehlendorf, Neukölln und Blau-Weiß zur ärgsten – wird sich warm anziehen müssen. Gerade die erfahrenen Leistungsträgerinnen wie Caro Klausch oder Verena Baier brennen laut ihrer Trainerin lichterloh, wollen noch einmal einen Titel feiern. Ruß selber auch, und sie ist mächtig gespannt: „Ich weiß die Berlin-Liga in diesem Jahr kaum einzuschätzen.“

Gesichter kommen, Gesichter gehen – doch in der Borussen-Abwehr steht immer noch Julia Reicke (re.). Foto: Matthias Vogel

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