Von Matthias Vogel
Kreuzberg. An der Blücherstraße spielt am Samstag, 15. Februar, die Musik. Die Kreuzberger Kapelle Türkiyemspor erwartet in voller Besetzung das Mariendorfer Hoforchester in seiner Blau Weißen Tracht zum Gastspiel. Ein echter „Ohrenschmaus“, denn bei diesem hochklassigen Berlin-Liga-Konzert ist mit Pauken und Trompeten zu rechnen. Die erste Note erklingt um 14 Uhr.
Bislang hat das Kreuzberger Ensemble in der Gesamtwertung die meisten Punkte erspielt und dürfte bei Dieter Bohlen und dem Rest der Jury auch morgen als Favorit notiert sein. Und das, obwohl die Konkurrenz aus Mariendorf zum Start ihrer Tournee 2020 seine Komposition beeindruckend sicher vortrug und die Pankower Borussen-Combo aussehen ließ wie eine schräg spielende Schülerband.
Türkiyemspor-Dirigent Murat Dogan hat seinem Sammelsurium von talentierten Musikerinnen mehr Gefühl für Harmonie eingehaucht. Sie fideln nun noch besser zusammen als noch in der vergangenen Spielzeit, als man sich hinter den Staakener Philharmonikerinnen mit dem zweiten Platz begnügen musste. Dazu hat er in Lena Cassel und Lena Schrum vor der Saison zwei neue, aber routinierte Teamplayer mit Solo-Qualitäten gut in das Ensemble integrieren können und auch das, was aus dem hauseigenen Talentschuppen ersatzweise vorspielen darf, wenn eine der etablierten Kräfte fehlt, vergreift sich auffallend selten im Ton.

Foto: Matthias Vogel
Jüngster Beleg für die gute Jugendarbeit an der Blücherstraße ist das 2:2 gegen das Projekt „Hertha 03 musiziert für Deutschland“, die U17-Bundeliga-Gruppe aus Zehlendorf. „Da habe ich nur die jungen Spielerinnen auf die Bühne gelassen“, sagt Dogan. Beim Vergleich mit der Regionalliga-Bigband des 1. FC Union Berlin gaben freilich wieder die Top-Solisten für Türkiyemspor den Takt an. Beide Formationen waren nicht komplett und die unabhängige Jury wertete den Test mit 5:0 für Union, für Dogan hatte das Vorspiel aber durchaus Aussagekraft: „Wir haben gesehen, dass wir bezüglich Tempo und Kondition im Konzert der Großen mithalten können.“ Für ihn gab es keine auffälligen Dissonanzen, lediglich die Frau an der Pauke, die türkische U17-Nationaltorhüterin Kevser Gündogdu, hatte an diesem Tag das Fell ihres Instruments nicht richtig bespannt, weshalb der Köpenicker Bläsersatz sehr leicht einen Trompeten-Dreiklang kam.
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Im Konzertsaal der Großen von Berlin, der „Hall of Regionalliga-Nordost“, da will Dogan mit seiner Kapelle auftreten und das Casting dafür ist morgen das erste Mal in diesem Jahr richtig ernst zu nehmen. Dogan erwartet einen hitzigen Kampf um die Gunst der Wertungsrichter und des Publikums. „Der Start von Blau Weiß war schon eine Ansage“, findet er. Deshalb aber Stücke anzubieten, die vielleicht sicherer vorgetragen werden könnten, liegt dem Kreuzberger Kapellmeister fern. Höchste Schwierigkeit und volle Punktzahl – also tief Luft holen und volle Pulle die Percussion malträtieren, in die Oboen, Posaunen und Querflöten blasen und mit der Triangel bimmeln – , so lautet die Devise. Dogan freut sich sehr auf den Vergleich, weil auch in Mariendorf die Töne sehr sauber getroffen werden. „Habe wirklich Respekt vor der Spielweise von Blau Weiß.“

Zwei neue Musikerinnen haben sich in der Winterpause der Kreuzberger Meister-Tour angeschlossen. Vom Landesligisten SV Seitenwechsel kommt Kate Robinson. „Etwas älter, aber fit und enorm einsatzwillig. Können wir durchaus gebrauchen“, sagt Dogan. „Und dann haben wir noch eine sehr gute Stürmerin vom FC St. Pauli bekommen: Dilara Akgümüs, 18 Jahre alt.“ Lena Schrum, in der Vorrunde eher sporadisch bei den Proben und im Konzertsaal anwesend, hat ihr Schlagzeug wieder in Benutzung und auch die lange verletzte Orchester-Chefin Sinem Solmaz steht wieder hoch konzentriert an der Trommel. „Damit haben wir in der letzten Reihe wieder mehr Alternativen.“
Platz 1 scheint wie in Stein gemeißelt
Dort spielten während der Herbst-Tournee immer noch Denise Kaplan und Safiye Kok. Beide haben ihre besten Musikerjahre bereits hinter sich, wegen ihrer Routine und auch aus menschlicher Sicht waren und ist das Duett aber ein enorm wichtiges Puzzleteil für den steten Erfolg des gesamten Ensembles und den wie in Stein gemeißelt scheinenden Platz 1 in den Charts. „Die beiden wissen aufgrund ihrer Erfahrung, wie wichtig gute Stimmung innerhalb der Gruppe sein kann und sind in der Garderobe immer für einen Witz gut. Die sind Gold wert für uns.“

Streicher, Bläser, Schlagwerker, filigrane Solisten – Dogan hat, so sagt er, mittlerweile alle Rollen seiner Kapelle mindestens doppelt besetzt. „Ich habe die Qual der Wahl, das war nicht immer so.“ Dazu wuselte es während der Vorbereitung auf den Endspurt geradezu im Proberaum. „15 bis 16 waren immer da zum Üben, das ist für eine Wintervorbereitung sehr gut – zumindest für uns.“
Es scheint, als müsste jemand den kreativen Soundtüftlern aus Kreuzberg den kompletten Notensatz klauen, um sie noch daran zu hindern, am Ende der Saison am Casting für Battles in ganz Ostdeutschland teilnehmen zu dürfen. Dogans Band kann es fast nur noch selber vergeigen. Zu den zwei, drei Bigbands, die ihr noch den Marsch blasen könnten, zählt eben das Mariendorfer Hoforchester. Wie gesagt: Beim Open Air an der Blücherstraße, dort spielt am Samstag die Musik.
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