Von Null auf Eins

Reinickendorf. Mit einer unfassbaren Wucht war der Wittenauer SC Concordia in die Landesliga aufgestiegen. Und ganz Frauenfußball-Berlin fragte sich, wo sich die Elf von Trainerin Franziska Liepack und ihrem Co Thomas Zaborowski wohl ein Stockwerk höher einreihen würde. Die Antwort gibt es nach neun Spieltagen schwarz auf weiß: Concordia grüßt vom Platz an der Sonne, mit bereits fünf Punkten Vorsprung auf den Tabellenzweiten

Matthias Schlechta ist sicher einer der beständigsten „nichtneutralen Schiedsrichterassistenten“ im Berliner Frauen-Amateurfußball. Seit Jahren steht er für den Moabiter FSV an der Seitenauslinie, selten, dass er seiner Tochter Felizitas nicht zusieht und gleichzeitig den Club aus Mitte entlastet. Dadurch weiß er auch immer das gesamte Geschehen recht gut einzuordnen. Im lockeren Plausch über den sich anbahnenden Durchmarsch der wilden Liepack-Truppe, sagte er kürzlich staubtrocken: „Es war wohl im ersten Jahr Bezirksliga eher ein Kunststück, mit dieser Mannschaft nicht aufzusteigen.“ Gepatzt hatte beim neu gegründeten Frauen-Team aus Reinickendorf schon im Gründungsjahr freilich niemand. Die Konkurrenz war im SFC Stern 1900 II und dem TSV Mariendorf 1897 aber eben auch nicht ohne und die Concordia musste sich am Ende mit dem undankbaren dritten Platz zufrieden geben.

Gegen Inga Müller (am Ball) & Co. vom Moabiter FSV war selten ein Durchkommen, dennoch stand am Ende ein 2:0-Sieg zu Buche. Foto: Matthias Vogel

Das störte das Trainerduo herzlich wenig, auch wenn das Gros der Mannschaft aus der Talentschmiede des 1. FC Lübars stammt und die Erwartungshaltungen durchaus hätten gen Himmel hätten wachsen können. „Das wollen wir hier aber nicht. Wir haben keinen Plan, wann wir wo sein wollen. Alles kann, nichts muss“, gab Thomas Zaborowski nach dem sechsten Landesliga-Spiel beim FSV Hansa 07 zu Protokoll. Der Aufsteiger hatte den ehemaligen Verbandsligisten gerade auf dessen schwierigen Geläuf demontiert und 5:0 gewonnen. Liepack war natürlich zufrieden, habe aber auch schon bessere Auftritte gesehen, wie sie sagte, etwa das 6:0 gegen den 1. FC Schöneberg im Pokal.

Als sich anbahnte, dass es mit dem 1. FC Lübars nicht mehr wie bisher weitergehen würde, suchten zahlreiche begabte Spielerinnen aus dem Juniorinnen- und Frauenbereich eine neue Heimat. Der SC Concordia Wittenau nahm einen Großteil davon auf. „Oft wechselt der Trainer und nimmt dann die halbe Mannschaft mit. In diesem Fall war es umgekehrt“, beschreibt Zaborowski die damalige Lage. Um die Routiniers Stefanie Bienert, Sina Schultz schneiderte Franziska Liepack – alle drei ebenfalls mit Lübarser Vergangenheit – dann einen Anzug aus jungen, hochwertigen Fasern. Spielerinnen wie Josefina Kuß, Julyne Höhns und noch einige andere waren früher in der Bundesliga der B-Juniorinnen am Werk. Marlene Schmidt wurde vom SV Hohen Neuendorf losgeeist, und zur zweiten Saison reaktivierte Liepack dann noch Michelle Behrends, wie Schmidt eine enorm wichtige Personalie.

Wandelbar: Madeleine Wirgailis beschäftigte erst über den rechten Flügel die Moabiter Defensive, musste dann aber in die Abwehr beordert werden. Foto: Matthias Vogel

Der neue Zwirn saß im Aufstiegsjahr dann prompt wie eine zweite Haut. Alle 16 Spiele gewannen die Gelb-Schwarzen, im Schnitt erzielten sie dabei fast zehn Tore, Liepack, Bienert, Schmidt, Höhns, Behrends und Sophie Boldt markierten alleine 97 von 155 Treffern. Sieht man der Concordia heute zu, muss einem Michelle Behrends einfach auffallen. Nicht nur, weil sie viele und zum Teil traumhafte Tore erzielt – gegen Hansa packte sie den Ball mal eben aus 20 Metern passgenau in den Winkel -, sondern weil sie auch gerne welche vorbereitet. Kaum ein Ball verspringt ihr und der kompakt stehende Moabiter FSV kam am vergangenen Wochenende wegen ihrer messerscharfen Schnittstellen-Bälle in den Rücken der letzten Abwehrreihe das einige Male gehörig ins Schwitzen. Den Führungstreffer markierte sie aber selbst per Kopf, Madeleine Wirgailis hatte geflankt. Auch in der zweiten Hälfte, die Partie verflachte zusehends, war Behrends die entscheidende Figur auf dem Feld. Als nichts mehr zu gehen schien, setzte sie sich nach einem langen Ball vehement aber fair durch und fixierte mit einem listigen Heber über Sofie Manthe im FSV-Kasten den 2:0-Endstand und damit die Tabellenführung (72.).

Trotz der erneuten Dominanz im Liga-Betrieb bleibt man in Reinickendorf weiterhin auf dem Teppich. Hier und da taten sich auch abseits von Bescheidenheit und Demut eines Liga-Neulings auch sportliche Gründe dafür auf. Gegen den SFC Stern 1900 II setzte es mit 1:3 zuhause die bislang einzige Saisonniederlage. „Da hat man gemerkt, dass wir noch jung und nicht ganz so weit sind“, bewertete Liepack den zwischenzeitlichen Dämpfer. Auf der anderen Seite gewinnen Champions eben auch einmal Spiele wie das gegen Moabit, in denen es nicht so gut wie gewöhnlich läuft. Das würde Matthias Schlechta, der wieder an der Seitenlinie unterwegs war, sicher unterschreiben.

Wenn es auch einmal nicht läuft, wie gewohnt: Michelle Behrends (li.) ist immer für einen Doppelpack gut. Foto: Matthias Vogel

Wenn es nicht schon in diesem Jahr mit dem Aufstieg in die Verbandsliga klappen sollte, gibt es eben einen neuen Anlauf. Was auch passieren mag, Liepack und Zaborowski werden jedenfalls von ihrer Gangart nicht abrücken. „Wir wollen Fußball spielen und keine langen Bälle nach vorne prügeln. Die Mädels sollen sich im Training mit unserer Unterstützung selber Lösungen erarbeiten“, sagt die ehemalige Bundesligaspielerin. Das kommt an beim jungen Fußballvolk: „Die dritte Trainingseinheit pro Woche war nicht unsere Idee“, so Zabarowski.

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von Anders Noren.

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