Gift für das Ansehen

von Matthias Vogel

Kreuzberg. Gerade erst ist das neue Buch der Berlin-Liga aufgeschlagen, da bekommen die Fans des Frauenfußballs auch schon das erste unschöne Kapitel unter die Nase gehalten. Die Spandauer Kickers haben in der Pause des Vergleichs mit Top-Team Türkiyemspor eigenmächtig entschieden, zur zweiten Hälfte nicht mehr antreten zu wollen. Zu diesem Zeitpunkt lagen sie bereits mit 0:10 zurück. Die Partie wurde abgebrochen und Türkiyemspor-Trainer Murat Dogan war mächtig angefressen.

Türkiyemspor hatte die Kickers nach allen Regeln der Kunst auseinander genommen. „Mal kamen wir über die Flügel, mal durch’s Zentrum, waren schwer auszurechnen. Das hat meine Mannschaft richtig gut gemacht“, fasste Dogan die ersten 45 Minuten zusammen. Die Tore fielen wie reife Früchte, Aylin Yaren (3), Erika Szuh, Arzum Eren, Tugce Turac (je 2) und Hanna Ayad trugen sich in die Torschützenliste ein. Direkt nach dem Pausenpfiff wandelte sich die Freude über das Tor-Festival in Frustration um. Die Kickers rotteten sich noch auf dem Spielfeld zusammen, und teilten ihrem Trainer Thomas Winzer, der ein bisschen später hinzukam, ihre Entscheidung mit, nicht weiterspielen zu wollen.

Hat kein Verständnis für das Verhalten der Kickers: Türkiyemspor-Coach Murat Dogan.
Foto: Matthias Vogel

„Ich habe schon darauf gedrängt, das bis zum Ende durchzuziehen. Solche Spiele gibt es nun einmal. Aber mein Einfluss als Trainer war in diesem Moment wirklich begrenzt. Wenn ich darauf bestanden hätte, hätten die Mädels einen anderen Weg gefunden, nicht mehr zu spielen. Da bin ich mir sicher“, sagte Winzer. Für ihn passt die Aktion seines Teams zum Saisonstart. „Seit Beginn der Vorbereitung ist bei uns der Wurm drin. Wenn vorher alles einigermaßen gut gelaufen wäre, wäre es heute nicht passiert.“ Als Mensch habe er durchaus Verständnis für seine Mannschaft, denn das Ergebnis wäre vermutlich wohl auf ein 25:0 hinaus gelaufen, so klar sei die Unterlegenheit seiner Elf gewesen. Als Trainer könne er dem Verhalten aber natürlich nichts abgewinnen. „Wir werden auch sicher nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, darüber muss intern gesprochen werden“, kündigte Winzer an.

„Das ist frustrierend für die Spielerinnen!“

Dogan war einfach nur sauer. „Mir fehlt dafür jedes Verständnis. Wenn etwas Schlimmes passiert oder der Gegner in deutliche Unterzahl gerät, okay. Aber Spandau hatte sogar einige Wechselspielerinnen dabei. Man kann doch nicht einfach vom Feld gehen, nur weil man keinen Bock mehr hat. Wie sieht denn das aus? Wir sind immerhin in der Berlin-Liga, nicht in der Landesklasse der D-Juniorinnen. Das was die Kickers gemacht haben, schadet dem Ansehen des Frauenfußballs.“ Der Türkiyem-Coach sieht auch den Wettbewerb verzerrt: „Der Schiedsrichter meinte, das Spiel würde wohl mit 10:0 gewertet werden. Aber niemand weiß, ob das am Ende auch so ist und ob uns die möglichen zusätzlichen Treffer nicht in der Endabrechnung fehlen.“ Dazu würde sein Team ja auch einfach kicken wollen. „Wir bereiten uns Woche für Woche auf die Gegner vor. Lichtenberg ist am ersten Spieltag gar nicht angetreten, die Kickers hören nach 45 Minuten auf. Das ist frustrierend für die Spielerinnen.“ Seit mehr als 20 Jahren sei er nun in diesem Geschäft, habe oft in Unterzahl spielen lassen oder deftige Niederlagen hinnehmen müssen. „Das gehört einfach dazu.“

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von Anders Noren.

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