Angezählter SV bringt Kickers erste Saisonniederlage bei
von Matthias Vogel
Erst war es nur auf dem Papier ein Gipfeltreffen. Weil aber eine dezimierte Friedrichhagener Elf sich mit allen verfügbaren Reserven in das Top-Duell mit dem Klassenprimus Spandauer Kickers warf, wurde es tatsächlich eines. Schließlich war die Überraschung perfekt, der Zweite nahm mit einem 2:1-Sieg alle drei Zähler mit nach Hause.
Staaken/Spandau. Ob jetzt die bislang überragende Elf der Landesliga-Saison den Gast Friedrichshagener SV irgendwo im Hinterkopf unterschätzt hat oder der Tabellenzweite nun ob seiner personellen Sorgen so gefährlich war wie ein angeschlagener Boxer – man wird es nie herausfinden. Fakt war, dass die Elf von Trainer Stefan Götze das Spitzenspiel am Brunsbütteler Damm bestens eingestellt begann und die Kickers während der ersten Schicht mit dem engagierten Zweikampfverhalten der Gäste schlecht zurechtkamen, selber kaum torgefährlich wurden und dazu anfällig bei SV-Kontern waren. Gerade die pfeilschnelle Torjägerin Timea Hetey bekam die erfahrene Spandauer Abwehr nicht in den Griff. Fast folgerichtig ging der Außenseiter in Führung. Anja Matthes knallte einen Freistoß aus sehr spitzem Winkel von der linken Seite unter das Dach des Kickers-Gehäuses (21.), ein Geniestreich, ähnlich wie der von Toni Kroos im WM-Spiel gegen Schweden. „Nur, dass den Ball keiner vorher mehr angetippt hat“, beschrieb Götze die Führung fertig. Spandaus-Coach Thomas Winzer sagte: „Nicht unhaltbar, aber auch ein sehr schöner Freistoß.“

Zwischen der Partie und seiner Auswertung lagen ein paar Stunden, sonst hätte ihn der Ärger über die verkorkste erste Hälfte seiner Elf das Lob über des Gegners schönen Freistoßtreffer sicher verschlucken lassen. „In der Kabine ist es ziemlich laut geworden“, sagte Winzer. Dazu hatte auch der zweite Gegentreffer beigetragen. Eine Matthes-Ecke von rechts wurde wieder raus zur Schützin abgewehrt. Matthes drehte den Ball sofort mit dem linken Fuß auf den zweiten Pfosten und da stand Hetey unbedrängt und markierte aus fünf Metern Entfernung das 0:2 (30.). In der Kickers-Kabine wurde es so laut, dass Stefan Götze in der Nachbarumkleide die Ansage seines Kollegen gleich als Motivation für seine Truppe nutzte: „Ich habe ihnen gesagt: Ich muss euch gar nicht loben. Wie gut ihr das in der ersten Hälfte gemacht habt, hört ihr gerade.“
Stefan Götze: „Ich bin stolz, na klar!“
Götze musste dann erkennen, dass die 90-Dezibel-Schelte Wirkung zeigte. „Die kamen wirklich wie die Feuerwehr aus der Kabine.“ Winzer beschrieb das Treiben der zweiten Halbzeit so: „Spiel auf ein Tor.“ Der Rest ist schnell erzählt: Die Kickers erspielten sich trotz drückender Überlegenheit zu wenige hochkarätige Torchancen, hätten aber um die 50. Minute herum gleich zweimal den Anschlusstreffer erzielen können. Selbst nachdem die beste SV-Spielerin Hetey nach einem Zweikampf mit dickem Knöchel vom Feld musste, fiel der Winzer-Elf zu wenig ein, viele Steilpässe rutschten auf dem nassen Geläuf ins Toraus. Das 1:2 durch Caro Stern fiel in der Schlussminute und damit zu spät.
Götzes Zufriedenheit war groß, denn es sei schon so gewesen, wie er es im Vorfeld der Partie gesagt hatte. „Die erste Elf ist nominell schon gut, aber eine Spielerin war wegen Magen-Darm-Problemen schon arg blass um die Nase, eine hatte „Wade“, eine dritte „Leiste“. Dazu die Bank sehr dünn besetzt. Umso bemerkenswerter, was diese Mannschaft hier heute geleistet hat. Ich bin stolz, na klar.“ Winzer zeigte sich trotz der unerwarteten Pleite versöhnlich – wie gesagt, zwischen Abpfiff und Interview lagen ein paar Stunden. „Es war nicht so, dass wir überheblich waren. Unkonzentriert waren wir, das hat mich so geärgert in der ersten Hälfte. Später haben wir wieder unser wahres Gesicht gezeigt.“ Die Niederlage habe aber schon auch mit der Leistung von Friedrichshagen zu tun. „In der ersten Hälfte sind sie sehr aggressiv in die Zweikämpfe gegangen. Ich meine positive Aggressivität. Damit ist meine Mannschaft nicht zurecht gekommen. Vielleicht hat sie es nicht erwartet.“ Von einem Beinbruch wollte Winzer ohnehin nichts wissen. „Ich habe immer gesagt, so ein Tag wird kommen und ich mahne immer dazu, jeden Gegner zu respektieren. Es wäre schon eine erstaunliche Leistung, kein Spiel in einer Saison zu verlieren.“
Spandau überwintert auf dem Platz an der Sonne, drei Punkte dahinter rangiert der Friedrichshagener SV, wiederum drei Punkte vor dem zweiten Anzug des Regionalligisten SFC Stern 1900. Gleich nach der Winterpause geht es für die Kickers zur Revanche nach Friedrichshagen – es riecht dank des Überraschungscoups jetzt schon nach einer spannenden zweiten Saisonhälfte.
Spandauer Kickers – Friedrichshagener SV 1:2 (0:2). Kickers: Möllers, Eilts (33. Peter), Langer, k. A. (21. Tiede), k. A. , Zierath, Walter, Smolkovic, Busch, Stern, Rust. SV-Heldinnen: Schmeichler, Stukenborg, Sattler, Taubert (41. Lange), Thor, L. Salewski, Matthes, Schindler, Hetey (70. Krebs), T.-M. Salewski, Müller. Tore: 0:1 Matthes (21.), 0:2 Hetey (30.), 1:2 Stern (90.). Schiedsrichter: Nils Unger. Zuschauer: 35.
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