von Matthias Vogel
Die Frauen des SFC Stern 1900 leisten derzeit Erstaunliches in der Regionalliga Nordost. Mit neun von zwölf möglichen Punkten nach vier Spieltagen war nicht zu rechnen. „Wieso denn, bitte? Die waren doch Fünfter in der vergangenen Saison!“ Stimmt! Aber nicht mit einem derart geschröpften Kader. Trainer Harald Planer fehlt auch gegen den Magdeburger FFC fast eine komplette Mannschaft. Sein Geheimnis? Kommunikation.
Steglitz. Selbst die knappe Niederlage gegen Jena II am vorvergangenen Spieltag ist hoch zu bewerten. Weil der zweite Anzug des Zweitliga-Clubs nachweislich wie angegossen sitzt und Stern in der zweiten Hälfte dem 1:2 näher war, als Jena dem 0:3. Trotz der ellenlangen Absenten-Liste. Aischa Grundmann, Anina Sange, Cheyenne Selmke, Emina Wacker, Kimberly Lange, Leonie Sohr, Susana Häuser, Merle Kuntz-Schönitz, Katharina Göttfried – alles Spielerinnen, die im Urlaub weilten oder weilen, verletzt waren oder sind oder aber wegen ihres Studiums gerade nicht in der Stadt residieren. Und laut Planer alles Spielerinnen mit berechtigten Ambitionen auf die Stamm-Elf.

Harald Planer macht keinen Hehl daraus, dass der Spielplan es gut meinte mit seinem Team und ihm bislang die Schwergewichte der Liga erspart blieben. Dazu sei der Kader recht breit und jede Spielerin, die derzeit mit die Stellung hält, habe ihre Qualitäten. Aber das alleine reicht freilich nicht, um auch oder gerade in den Spielen gegen die vermeintlich schwächeren Gegner so überzeugend aufzutreten, wie es der FC Stern bis dato tat. Gerade den furiosen 6:1-Sieg vor Wochenfrist beim 1. FFC Fortuna Dresden dürfte die Konkurrenz mit offenen Mündern und hoch gezogenen Augenbrauen zur Kenntnis genommen haben.

Aber was macht denn der Planer nun richtig? „Es ist zum Teil Charaktersache. Ich habe diesbezüglich eine ganz tolle Mannschaft“, sagt er. Auf gut Deutsch: Wer ein gelb-blaues Trikot überstreift, legt sich generell voll ins ins Zeug, selbst in dem Wissen, dass es ihn später wieder auf die Bank verschlagen könnte. Ein bisschen ist diese Haltung auch die Ernte seiner nunmehr siebenjährigen Arbeit mit dem Team. „Ich glaube, man bringt als Sportler die beste Leistung, wenn man mit Spaß bei der Sache ist. Ich fördere das, solange die Einstellung stimmt.“
Die zweite Zutat zum derzeitigen Erfolgsrezept ist das „Gerüst“. „Wenn du im Zentrum eine Achse etablierter, starker Spielerinnen hast, kannst du links und rechts davon einiges kompensieren.“ Torhüterin Nicole Bartholdi, Abwehrchefin Vanessa Lux, Jaqueline Behrends und Nicole Schröder heißen diese Stützen aktuell, zu Beginn der Saison, also vor ihrem Urlaub, zählten auch Anina Sange und Leonie Sohr dazu. Dass bei den seit Wochen als „Dynamisches Duo“ verkleideten Mittelfeld-Assen Schröder und Behrends in Dresden mit jeweils drei Treffern auch noch der Offensiv-Knoten mit einem lauten Knall platzte, konnte Planer natürlich auch nicht ahnen, geschweige denn steuern.

„Die haben jetzt öfter zusammengespielt und harmonieren daher ganz ordentlich“, erklärt er und feixt ins Telefon, weil er natürlich weiß, dass der Promenade-Lauf der beiden eher die Bezeichnung „überragend“ als „ganz ordentlich“ verdient hätte. Noch zwei Umstände spielen den Steglitzerinnen dieser Tage in die Karten: Einer ist das gute Verhältnis zur Landesliga-Vertretung. „Ohne die Unterstützung der Zweiten hätten wir das nicht geschafft“, sagt Planer. Ein anderer sei das Glück, dass sich niemand aus der Rumpftruppe verletzt hat oder krank geworden ist. „Bei nur elf oder zwölf verbliebenen Spielerinnen wäre das nicht mehr wegzustecken gewesen.“
Die wichtigste Komponente ist für den Coach aber die Kommunikation. „Wir wussten von Anfang an, wie dünn die Personaldecke im September werden würde. Also haben wir viel gesprochen. Ich habe verdeutlicht, dass ich gerne alle ins Boot hole und dass wir nicht nur jetzt, sondern über die gesamte Saison diesen insgesamt breiten Kader brauchen werden, um erfolgreich zu sein. Aber auch, dass es keinen Groll geben darf, wenn alle wieder da sind.“ Im Oktober hat Planer dann auch tatsächlich wieder alle seine Schäfchen zusammen. Dann beginnt für ihn die nächste Kommunikations-Etappe. „Niemand fällt bei mir durch, wenn er in den Urlaub fährt. Das steht jedem zu. Das muss dann alles gut moderiert werden – eine echte Herausforderung“, sagt er.
Jetzt kommen die starken Gegner
„Jetzt geht’s los“, so der Trainer. Damit meint er die saftigen Aufgaben, die sein Team nun vor die Brust bekommt. In vier Wochen spielt Stern beim 1. FC Union Berlin vor, in drei Wochen ist der SV Blau-Weiß Hohen Neuendorf zu Gast und in zwei Wochen geht es zum heißen Tänzchen bei RB Leipzig. Wahrlich dicke Post, sie wird aber erst im Oktober geschickt. Am heutigen Sonntag – September! – kommt im Magdeburger FFC aber ebenfalls alles andere als Laufkundschaft auf den Kunstrasen in der Kreuznacher Straße. Stern muss noch einmal improvisieren, Kräfte bündeln, beißen. Harald Planer sieht es gelassen: „Wenn es so weitergeht wie bisher, beiße ich sehr gerne.“ Anpfiff ist um 14 Uhr, rasenperlen.com wünscht guten Hunger.
Titelbild: Sophia Skuratowicz
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