von Matthias Vogel
„It’s Derby-Time“, sagt Marlies Sänger, „das wird ein ganz besonderes Spiel“. Die Kapitänin des FC Viktoria 1889 Berlin hat damit fast alles zum Gastspiel ihrer Elf am Sonntag, 16. September, beim SV Blau-Weiß Hohen Neuendorf gesagt. Fast: Außerdem empfängt der Tabellendritte des aktuellen Regionalliga-Tableaus den Klassenprimus. Spannung pur ab 14 Uhr, auf dem Rasenplatz an der Friedrich-Engels-Straße 21.
Hohen Neuendorf. Nach dem die Frauen aus der Zweiten Bundesliga und die B-Juniorinnen aus der Bundesliga nach der vergangenen Saison abgestiegen sind, ist in Hohen Neuendorf vor der neuen Spielzeit umgedacht worden. Der Druck sollte aus dem Kessel, stattdessen der Spaß am Fußball wieder in den Fokus rücken. Als einen Mann für solche Fälle erachtete der Verein Rene Zampich, ein erfahrener Trainer aus dem Männer-Bereich, der zuletzt den SV Empor Berlin trainierte. „Bei der ersten Anfrage habe ich noch kategorisch abgelehnt. Wir haben uns dennoch zum Gespräch getroffen und das hat mich dann überzeugt.“ Bereut hat er die Entscheidung nicht, der Frauenfußball mache ihm einen ungeheuren Spaß. Klar sei er etwas langsamer aber die Qualität sei heutzutage auf einem bemerkenswert hohen Niveau.

Nach dem Niedergang aus der Zweiten Liga musste der Club einige namhafte Abgänge hinnehmen. Erika Szuh etwa wechselte zum Verbandsligisten Türkiyemspor, genauso wie Monika Sinka, die sich dem SC Staaken anschloss. Nadine Heinrich und Torhüterin Inga Buchholz schnüren nun für den morgigen Kontrahenten Viktoria die Kickschuhe. Wie Hohen Neuendorf den Umbruch verarbeitet hat? „Da kann ich schwer etwas zu sagen, ich bin ja erst seit dieser Saison hier“, sagt Zampich. Was er sagen kann und will ist, dass er gesteigerten Wert auf die individuelle Entwicklung seiner Mädels legt und er weniger Ergebnis orientiert handelt. Daran tut er freilich gut, schließlich entwuchsen einige Teenager der Bundesliga-Elf frisch dem Juniorinnen-Bereich, dazu zog er die beiden Auswahlspielerinnen Yara Lynn Scheffler und Sophie Büttner hoch zu den Frauen.
Eine sehr junge, gut ausgebildete Mannschaft reift da in Begleitung einiger Routiniers zu Regionalliga-Härte heran. „Ich glaube, zusammen mit dem neuen Trainer ergibt das eine ganz gute Mischung“, sagt Viktoria-Coach Roman Rießler. „Eine 1:2-Niederlage gegen den 1. FC Union Berlin ist wahrlich keine Schande.“ Überhaupt habe er großen Respekt vor der Arbeit in Hohen Neuendorf. Das Ergebnis, das Rießler meint, datiert vom zweiten Spieltag. Da unterlag die neu formierte Zampich-Truppe Meister Union denkbar knapp und nicht einmal das hätte sein müssen, so Zampich. „Es ist unglaublich, wie viele Chancen wir bisher in der Saison haben liegen lassen. Wir hätten gut und gerne auch gewinnen können.“
„Wir stehen überhaupt nicht unter Druck.“
Hat Blau-Weiß Hohen Neuendorf aber nicht und weil nun eine Niederlage gegen ein Schwergewicht zwei ungefährdeten Siegen gegen Aue (3:0) und Marzahn (5:0) – Vorletzter und Letzer im Tableau – gegenüber steht, weiß Zampich gar nicht so recht, wie er seine Elf vor dem Top-Spiel gegen Viktoria verbal positionieren soll. Nach der Begegnung mit Union auf Augenhöhe, dem knappen Pokal-Aus gegen Hannover 96 (2:4) – auch das Spiel hätte nach Zampichs Expertise mit einer besseren Chancenverwertung gewonnen werden können – sowie der 4:5-Niederlage in der Vorbereitung gegen den zweiten Turbine-Anzug steht wohl fest: Verstecken braucht sich sein Team nicht. Die Favoritenrolle schiebt er aber der Viktoria zu: „Die haben ja etwas vor. Wir wollen uns in der Liga etablieren und den Spaß am Fußball fördern. Sowohl die Frauen als auch die B-Juniorinnen mussten sich ein Jahr lang auf das Verteidigen konzentrieren und häufig lange Bälle spielen. Das wollen wir ändern. Wir stehen morgen überhaupt nicht unter Druck.“

„Den Druck nehmen wir gerne auf“, sagt Rießler. „Und ja, wir würden gerne drei Punkte aus Hohen Neuendorf mitnehmen, das ist uns dort noch nicht gelungen.“ Was auf seine Mannschaft genau zukomme, außer ein schweres Spiel, das wisse er nicht. Deshalb habe er sich in den sechs Trainingseinheiten zwischen dem 2:1-Heimsieg gegen RB Leipzig und jetzt den eigenen Stärken und Schwächen gewidmet. „Vor dem Tor des Gegners wollen wir uns ja immer verbessern, dazu haben wir das Verhalten im Spielaufbau unter Druck geschult“, so Rießler. Mit der berühmten weißen Weste beim nächsten Derby in der kommenden Woche gegen Union antreten, weiterhin von der Tabellenspitze grüßen, für Inga Buchholz und die verletzte Nadine Heinrich (Kreuzbandriss) punkten, die nun ausgerechnet gegen ihren Ex-Verein nicht spielen kann – „Gründe, den Vergleich mit Hohen Neuendorf zu gewinnen, gibt es genug“, so Rießler.
Kapitänin Sarah Kollek ist nicht an Bord
Die Gäste aus Lichterfelde können mit Ausnahme von Heinrich und Eyline Jakubowski, hinter deren Einsatz wegen einer Erkältung ein Fragezeichen steht, aus dem Vollen schöpfen. Zampich sagt, Youngster Sophie Büttner falle eventuell ebenfalls wegen Krankheit aus, Femke Scholau (Kapselverletzung), Kapitänin Sarah Kollek und Nele Spiller (beide Knieprobleme) seien definitiv nicht mit von der Partie. „Wir gehen personell schon ein wenig auf dem Zahnfleisch, aber meine Mädels sind hoch motiviert und wenn sie so gut spielen wie gegen Union, bin ich guter Dinge.“ Apropos motiviert. Was sagt denn Viki-Chef-Girl Marlies Sänger noch? „Wir wollen unsere Serie fortsetzen und sind schon heiß auf das Spiel morgen!“
Titelbild: SV Blau-Weiß Hohen Neuendorf
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