von Matthias Vogel
Es war eine klare Angelegenheit. Türkyemspor besiegte zum Auftakt des dritten Spieltages der Berlin-Liga Berolina Mitte zuhause mit 4:0. Damit kam die stark ersatzgeschwächten Gäste-Elf noch glimpflich davon, die Kreuzbergerinnen ließen mindestens ein halbes Dutzend allerbester Tormöglichkeiten ungenutzt.
Kreuzberg. Zehn Minuten waren in der zweiten Hälfte gespielt, da schwoll Türkiyem-Coach Murat Dogan kurzfristig der Hals auf doppelten Umfang an: „Meine Damen“, schrie er, „bitte eure Chancen nicht so leichtfertig vergeben!“ Aylin Yaren hatte gerade das Bero-Tor verfehlt, unbedrängt und aus kurzer Distanz, und das bei der noch knappen Führung von 1:0. Dogans Zorn traf seine ganze Offensiv-Fraktion, nicht nur Yaren. Zehra Badem nach traumhafter Kombination vom eigenen bis in den Bero-Strafraum, Arzum Eren nach feiner Einzelleistung und Sanna El-Agha, am Vorabend aus dem Urlaub zurück gekommen und wider Erwarten in der Startelf, hatten zwischen Wiederanpfiff und dieser Szene bereits jeweils das 2:0 auf dem Fuß.

Um den Gefühlsausbruch des Trainers noch besser nachvollziehen zu können, lohnt ein Schwenk auf die Anfangsphase der Partie. Innerhalb der ersten zehn Minuten tauchte El-Agha drei Mal alleine vor der Bero-Keeperin auf, setzte den Ball einmal links unten und einmal rechts oben am Tor vorbei, dazwischen scheiterte sie an der Torhüterin selbst. Ihre Kolleginnen machten es lange nicht besser, einmal hatte Yaren die Torhüterin schon ausgetanzt (Titelbild), wartete dann aber zu lange mit dem Torschuss – wieder nichts. Erika Szuh hatte nach etwa einer halben Stunde die Nase voll. Als nach einer Freistoß-Flanke von Yaren die Bero-Defensive den Ball nicht aus der Gefahrenzone brachte und er deshalb auf halbrechter Position Szuh vor den Schuh fiel, zog die Ungarin einfach mal ab – der wuchtige Distanzschuss schlug unhaltbar zum Pausenstand unter der Latte ein (27.).
El-Aghas 3:0 – Balsam für die Torjäger-Seele
„Ich bin nicht zufrieden. Wir haben zu lange für das 1:0 gebraucht, dann viel zu lange für das 2:0. Das geht gegen einen Gegner wie heute gut, aber kommende Woche spielen wir gegen Union II. Das ist ein anderes Kaliber und ich hätte mir gewünscht, dass wir mit mehr Spannung und Konzentration am Werk gewesen wären und ein Zeichen gesetzt hätten“, erklärte Dogan nach der Partie. Immerhin hatte sein Weckruf die erwünschte Wirkung. Wenige Minuten danach nämlich legte El-Agha vom Elfmeterpunkt aus nach rechts auf die heranstürmende Außenverteidigerin Lara Wagner und die erzielte dann mit einem Flachschuss in die lange Ecke das 2:0 (62.). El-Agha, Türkiyems Top-Torschützin der vergangenen Saison, staubte kurz danach zum 3:0 ab (69.) – Balsam für ihre Torjäger-Seele. Und in der Nachspielzeit hatte auch die unermüdlich antreibende Yaren ihr Erfolgserlebnis, bezeichnender Weise nachdem sie eine weitere Großchance versiebte. Beim Nachfassen wurde die frühere Bundesligaspielerin gelegt, den fälligen Elfmeter verwandelte sie selber zum 4:0.

Die Dominanz von Türkiyemspor war für jeden erkennbar, Beros Bemühungen, vor die Kiste der Gastgeberinnen zu kommen, aber durchaus auch. Kurz vor dem 1:0 etwa wurde Marta Kotarba rechts im Strafraum blank gespielt, ihren Schuss auf die kurze Ecke klatschte Torhüterin Berna Corr zur Ecke ab (25.). Ansonsten war viel Sand im Offensiv-Getriebe. „Ich hatte gehofft, dass wir den einen oder anderen Angriff mehr bis zum Ende fahren können, aber viele Bälle in die Spitze waren zu ungenau“, sagte Berolina-Trainer Stephan Marx nach der Partie. „Nach diesen Ballverlusten dann wieder hinterher zu rennen, hat viel Kraft gekostet. Dazu waren wir nicht richtig in den Zweikämpfen und dann hat man gegen einen Gegner dieser Qualität einfach keine Chance. Das muss man anerkennen.“ Zufrieden war Marx mit der Moral seiner Truppe – mit Recht. Bis zum Schluss kämpfte Bero aufopferungsvoll für die Schadensbegrenzung. Kurioses Beispiel: Bei einer Dreifach-Chance für Türkiyemspor warfen sich nacheinander drei Bero-Spielerinnen für ihre bereits geschlagene Keeperin waghalsig in die jeweilige Flugbahn des Balls – mit Erfolg.
Bero hofft jetzt auf dickere Personaldecke
Türkiyemspor klettert mit diesem Sieg wieder an die Tabellenspitze, zumindest bis morgen, Sonntag, 9. September, wenn die restlichen Begegnungen des Spieltages ausgetragen werden. Und Bero? Hofft jetzt, dass sich der Kader schnell wieder füllt, elf Spielerinnen hätten ihm heute gefehlt, sagte Marx. Die Hoffnung findet im Spielplan ihre Berechtigung, kommende Woche kommt Meister Sp.Vg. Blau-Weiß 90 Berlin nach Mitte, eine Woche später der 1. FC Union Berlin II.
Türkiyemspor – Berolina Mitte 4:0 (1:0). Türkiyemspor: Corr, Wagner (69. Oppie), Kok, El-Agha, Solmaz, Bernstein (46. Badem), Beyer (86. Abel), Szuh, Yaren, Eren, Kaya. Bero: k.A. (63. Tanoku), Kogan, Methner, Dewjatkina, Breitsprecher, Dworkowski (67. Bunschuh), Kotarba, Eichberger, Wegelin, Schrader, Hetzer (16. Barthmann). Tore: 1:0 Szuh (27), 2:0 Wagner (62.), 3:0 El-Agha, 4:0 Yaren (90.+4). Zuschauer: 70.
Sehr gut geschrieben, weiter so. Diese Berichterstattung braucht der Fußball. Objektiv und auch hinterfragt!!! Danke an den Berichterstatter