Nur nach Hause geht sie nicht
Stern-Urgestein Kristin Krömer tritt aus der Regionalliga-Elf zurück

von Matthias Vogel

Perle des Monats, unter dieser Rubrik werden besondere Persönlichkeiten, Teams oder Konzepte des Berliner Frauenfußballs vorgestellt. Längst überfällig ist das Debüt. Kristin Krömer, langjährige Führungsspielerin, Leistungsträgerin und Kapitänin des heutigen Regionalligisten SFC Stern 1900, ist nach der vergangenen Saison zurückgetreten. Was nicht bedeutet, dass sie nach Hause geht.

Abpfiff, Kristin Krömer spurtet auf den Platz und hechtet sich auf Torhüterin Rieke Grätz, die beim 3:0 Hinspiel-Erfolg von Sterns zweiter Garnitur gegen Askania Coepenick stark gespielt hatte, um sie zu herzen. Die Szene vom 6. Juni dieses Jahres darf als dickes Indiz für das herhalten, was Krömer ihr Verein bedeutet hat und weiterhin bedeutet. „Das Familiäre hier ist einmalig“, sagt sie. Anders als sie es von anderen Clubs kennt oder hört, sind Erste und Zweite menschlich nah beieinander. Nach dem Aufstiegskrimi gegen Coepenick und der Rückkehr der Reserve in die Landesliga auch leistungstechnisch nicht mehr ganz so weit. Und das gefällt Krömer gut, denn sie möchte zwar die Strapazen einer Regionalliga-Vorbereitung nicht mehr auf sich nehmen, wohl aber noch Fußballspielen. Natürlich bei Stern, aber wenn möglich nicht ganz unten. Der Aufstieg untermauerte also ihre Absicht, noch nicht nach Hause zu gehen.

 

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Tolle Pässe sind ein Markenzeichen von Kristin Krömer.

Dass es die Kriminaloberkommissarin in ihrer sportlichen Karriere schlussendlich bis in die Regionalliga geschafft hat, ist schon bemerkenswert. Ausgerechnet zwischen dem zwölften und 17. Lebensjahr, also während eines stattlichen Abschnitts der fußballerischen Lehrjahre, kickte sie überhaupt nicht im Verein. Ab fünf Jahren lernte sie zunächst zusammen mit den Jungs vom BAK, danach wechselte sie zu Tennis Borussia, wo es ihr einfach keinen Spaß machte. Der Pause folgte der Wiedereinstieg beim FCK Frohnau und mit 19 Jahren heuerte sie dann bei Stern an. Das war gut so, sonst hätte sie sie Pause vielleicht bereut. So nicht. „Vielleicht wäre ich dann nie hier gelandet, das wäre sehr schade gewesen. Ich bin nämlich super gerne hier“, sagt sie. Weiterer angenehmer Nebeneffekt der kickfreien Zeit: Kristin Krömer hatte ihr Abi in der Tasche.

„Die ganze Tribüne war blau-gelb, das war der Hammer!“

Lange dauerte es nicht, bis sie zum festen Bestandteil der ersten Mannschaft wurde, die sich unter der Ägide des Trainers Harald Planer – die vor der Tür stehende Saison ist seine siebte bei Stern – immer weiter entwickelte und in der vorvergangenen Saison den Sprung in die Regionalliga Nordost schaffte. Dort belegte der SFC Stern 1900 dann auch noch den sensationellen fünften Platz im abschließenden Klassement. Für Krömer der perfekte Zeitpunkt für den Absprung. Einmal überregional zu spielen, das war schließlich eines ihrer erklärten Ziele. Die Meisterschaft in der Verbandsliga war ihr nicht vergönnt, aber das kann sie verschmerzen, denn immerhin stand sie mit Stern 2015 in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals. Und das kam so: „Wir hatten zwar gegen Hohen Neuendorf im Finale des Berliner Pokals mit 1:3 verloren, aber weil die als Zweitligist ohnehin dabei waren, durften wir auswärts gegen Union Meppen antreten“, erzählt sie. „Leider haben wir ausgerechnet da eines unserer schwächeren Spiele gezeigt und 0:6 verloren. Da hatten wir uns mehr ausgerechnet.“ Dennoch war es der sportliche Höhepunkt für Krömer und der emotionale sowieso: „Eine ganze Tribüne war blau-gelb, das war der Hammer!“.

 

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April 2014, Spiel beim Adlershofer BC: Kristin Krömer erzielt mit einem Volley das 1:1. „Vielleicht mein schönstes Tor.“

Muss man denn wirklich mit 28 Jahren schon kürzer treten? „Eigentlich nicht, aber ich musste wirklich immer ein bisschen mehr machen, um körperlich fit zu werden. Andere tun sich da einfach leichter. Und nun reicht es einfach“, sagt sie und dabei hört sie sich nicht an, als hätte sie sich das nicht gut überlegt. Vielleicht rückt sie unter Jens Freikowski, der die Zweite bei Stern trainiert, ja wieder auf die geliebte „Zehn“. Auf der Position hatte sie auch lange unter Planer agiert, nur in den vergangenen beiden Spielzeiten wurde sie eine Linie defensiver auf der „Sechs“ aufgestellt. Fakt ist, dass sie die Landesliga-Elf des Vereins verstärken wird. Harald Planer hätte sie auch gerne noch bei sich behalten, nun freut er sich, dass sie dem Verein wenigstens erhalten bleibt. Und er sagt auch warum: „Sie zeichnet ihr Spielverständnis in Kombination mit tollen Pässen und absolutem Siegeswillen aus. Fünf Jahre lang war sie meine Kapitänin und war in dieser Funktion mit ihrem Engagement auch neben dem Platz enorm wichtig für den Zusammenhalt der Mannschaft.“

Den BVB oder Stern betrügen? Nur mit der Hertha!

Kürzlich hat sich die „Krissi“ in der Nähe des „Sterners“ eine Wohnung gesucht. Man könnte auch sagen, sie hat sich ihr Leben noch ein Stückchen komfortabler eingerichtet. Sie ist einfach gerne auf dem Gelände an der Kreuznacher Straße. „Man trifft immer jemanden, mit dem man quatschen kann.“ Wenn sie beruflich gerade nicht bösen Jungs das Handwerk legt oder es blau-gelb gewandet dem Gegner auf dem Rasenrechteck unangenehm macht, trifft sie sich gerne mit Freunden, geht auf Konzerte („es dürfen schon auch mal Schlager sein“) oder in Restaurants oder geht im Olympiastadion dem BVB fremd, steht in der Ostkurve und singt mit den Hertha-Fröschen „Nur nach Hause geh’n wir nicht“ – ganz nach ihrem Geschmack. Apropos: Team-Gefährtin Mareen Härte plauderte zu Krömers Abschied aus dem Nähkästchen, auch bei Feiern würde Krissi nicht nach Hause gehen – zumindest nicht als Erste. Vielleicht steige sie eines Tages auch in das Trainergeschäft ein, sagt Krömer zu ihrer Zukunft, „dann aber lieber Jungs als Mädels“, sagt sie.

 

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Das war’s, das Kapitel Regionalliga ist abgeschlossen. Kristin Krömer (li.) geht im letzten Spiel gegen den Lokalrivalen Viktoria vom Platz. Foto: Matthias Vogel

Mit Blumen hat der SFC Stern 1900 seine Nummer 17 vor dem letzten Punktspiel der abgelaufenen Saison verabschiedet. Klar hatte Kristin Krömer eine Träne im Knopfloch, aber sie ist mit sich im Reinen. „Großartige Zeit und ich bin wirklich dankbar, Teil dieser Mannschaft gewesen zu sein und sie nach ein paar missglückten Anläufen doch noch in die Regionalliga geführt zu haben.“ (Fotos: Sophia Skuratowicz)

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