Die Grundierung ist trocken, jetzt soll lackiert werden. Im Stadion Wittenau treten am heutigen Sonntag, 20. Mai, zwei Teams gegeneinander an, die mit dem Gewinn des Polytan-Cups unbedingt ihre Saison veredeln wollen: Regionalligist FC Viktoria 1889 trifft auf den Berlinliga-Champion SpVg Blau-Weiß 90.
Reinickendorf. Kein Pokalschreck zog seine Runden, die dem Wettbewerb nachgesagten eigenen Gesetze waren außer Kraft – die Zuschauer sehen heute auf dem Rasenrechteck an der Göschenstraße mit das Beste, was der Berliner Frauenfußball unterhalb des Profi-Äquators zu bieten hat. Viktoria klopfte in vernehmbarer Lautstärke an der Tür zur Zweiten Bundesliga an, schloss die Spielzeit knapp hinter Union und Magdeburg auf dem dritten Platz ab, Blau-Weiß wurde mit gewaltigem Vorsprung Verbandsliga-Meister. Für die Kontrahenten war der Polytan-Cup zu keinem Zeitpunkt der Wettbewerb, der nebenher läuft. Nein, sie hatten es regelrecht abgesehen auf den Pott. Nicht selbstverständlich, aber logisch. „Ich will den Titel, das ist die Gelegenheit, unsere gute Arbeit in Zählbares umzumünzen“, sagt Viktoria-Coach Roman Rießler. Sein Gegenüber Fred Klatt beschreibt die Begehrlichkeiten im Blau-Weiß-Lager so: „Die Mädels wollen sich den Aufstieg nicht mehr antun, auf den Pokal sind sie aber heiß.“

Das „nicht mehr“ in seinem Satz gibt den Hinweis auf die Qualität, die seine Elf in dieser Spielzeit in die Waagschale werfen konnte: Im Kader tummeln sich ein halbes Dutzend ehemaliger Zweitliga-Spielerinnen. Und auch wenn Klatt, der die Mannschaft zum Saisonstart übernahm, mit Recht davon beeindruckt ist, dass seine Schützlinge kein einziges Spiel verloren haben – zufällig ist die Dominanz wahrlich nicht. Viktoria unterstrich im kürzlich ausgetragenen Liga-Derby gegen den FC Stern 1900 (1:0) eindrucksvoll seine aktuelle Form. Rießlers Plan: „Möglichst schnell ein Tor vorlegen. Wenn das nicht gelingt, müssen wir Blau-Weiß müde spielen. Als höherklassiges Team neigt man dazu, den Gegner zu unterschätzen. Das darf uns auf keinen Fall passieren, aber ich glaube, die Mädels sind weit genug, um das zu wissen.“ Kollege Klatt witzelt: „Wir holen den Pokal und empfangen dann den FC Bayern bei uns an der Rathausstraße.“ Danach wird er wieder ernst: „Unser Altersdurchschnitt liegt irgendwo bei Ende 20 und wir spielen da gegen lauter junge Hüpfer.“
Kondition? Advantage Viktoria! Der SpVg-Trainer schonte aus diesem Grund im jüngsten Punktspiel gegen Lichtenberg 47 (2:1-Sieg) die halbe Mannschaft und beziffert nun die Chancen auf den Polytan-Cup in der Blau-Weiß-Vitrine auf „40 zu 60 Prozent“. Routine? Vorteil Blau-Weiß! Rießler sagt: „Eine sehr ausgebuffte Truppe, gegen die wir in der Vorbereitung mit 1:2 verloren haben. Wir sind gewarnt.“
Jung & dynamisch gegen erfahren, Anja Kähler (Viktoria) gegen Constanze Hess (beide 22 Liga-Treffer), ein Liga-Unterschied, der kleiner ist als auf dem Papier, beidseitiger Hunger auf Titel und die Teilnahme an der nächsten DFB-Pokalrunde – die Lackiermeisterinnen und -meister haben ihre Sprühdosen gezückt. Ob der Pott ein Jahr lang in hippem himmel- oder gesetzt-schickem dunkelblau daherkommt, entscheidet sich ab 14:30 Uhr.
Titelbild: Der Gewinn des Polytan-Cups für Viktoria-Ass Sandy Decker (am Ball) und ihre Mannschaftskollegin Nicola Käpernick wäre der Hit - beide hängen nach der Saison ihre Fußballschuhe an den Nagel. Foto: Matthias Vogel
Kommentar verfassen